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Vom Wunsch, Indianer zu werden

Vom Wunsch, Indianer zu werden

Titel: Vom Wunsch, Indianer zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henisch
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Mutter, der Bub. Nicht zu vergessen die Schwestern, alle drei weiblichen Geschlechts.
    Ihr Zimmer neben dem seinen. Das Rascheln ihrer Kleider. Wie dünn doch die Wände waren! Ihr Tuscheln, ihr Kichern! Seine Vorstellungen davon, was sie vor dem Einschlafen noch trieben. Wie soll man da schreiben? Wie soll man da konzentriert arbeiten?
    Untertags war es unmöglich, da war sein Zimmer ohnehin das Zentrum des Lärms. Alle Türen hörte er schlagen, alle Schritte hörte er gehen, alle Stimmen hörte er sprechen. Hatte es überhaupt Sinn, daß er jetzt früher vom Bureau kam? Aber des Nachts, wenigstens des Nachts hätte man eine gewisse Rücksichtnahme erwarten können!
    Nichts da. Seine Bedürfnisse wurden einfach nicht ernst genommen. Wahrscheinlich wurden sie nicht einmal wahrgenommen. Auch nicht von seinen Schwestern. Nicht einmal von seiner Lieblingsschwester Ottla. Aber der Zeitpunkt würde kommen, zu dem es ihm endgültig reichen würde.
    An jenem Abend, als man es kaum noch erwartet hatte –: Wie er da aufgestanden war mit einem Unbehagen, das
plötzlich
zu nennen den wahren Sachverhalt nicht trifft. Er hatte den Rock gewechselt, war sofort straßenmäßig angezogen erschienen, hatte noch weggehen zu müssen erklärt. Und war
wirklich
gegangen, nach sehr kurzem Abschied, die Wohnungstür hinter sich beinahe zuschlagend.
    Und dann? Hatte die Mutter stumm um den ganzen Tisch herum geblickt? Hatte der Vater die Gelegenheit ergriffen, eine seiner beliebten Reden zu halten? Über diesen mißratenen Sohn, dessen Benehmen ihm schon die längste Zeit sehr mißfiel? Er wußte es nicht. Er hatte nichts mehr davon wissen wollen.
    Er hatte sich erst auf der Straße wiedergefunden. Ans Treppenhaus (mutmaßlich dunkel), ans Haustor (sicher schon abgesperrt) keinerlei Erinnerung. Wie seine Glieder die schon unerwartete Freiheit, die er ihnen verschafft hatte, mit besonderer Beweglichkeit beantworteten. Sollte er hinunter ans Flußufer oder über die Brücke? Alles war plötzlich möglich.
    Auch zum Bahnhof zu gehen und abzufahren. Wann fährt der nächste Zug? Wohin? Ganz egal! Hauptsache weg! – Wie er aber schließlich, in einer Gasse, in der ihn mehrere Frauen angesprochen hatten, auf Max gestoßen war. Der hatte ihn mit zu sich genommen, und sie hatten bis in die Morgendämmerung hinein geredet; um halb acht war er dann von dort ins Bureau gegangen.
    Das war in Prag gegen Ende April gewesen. Hier graute indessen der Morgen des 7. September. Der junge Mann, vom Cognac eher aufgeputscht als sediert, lag in unruhigen Träumen. Schlangengleich durch einen engen Spalt ins Zimmer seiner Schwestern gekrochen, bat er, zu ihren nackten Füßen liegend, um Ruhe oder Gnade. Dann wachte er auf, weil er männliche Stimmen hörte. Da standen die Herren Robinson & Delamarche in ihrer unsauberen Unterwäsche und grinsten. Den Stoff zwischen den Fingern reibend, taxierten sie seinen ordentlichen Anzug, den er, so gut es ging, am Gestänge des Bettes aufgehängt hatte. Wozu er den brauche? Der an den Ärmeln geflickte, den er im Koffer habe, tue es doch auch.
    Um diese Zeit lag Herr Burton schon länger wach. Je älter er wurde, desto weniger Schlaf und Traum war ihm vergönnt. Er beobachtete Klara, die, auf dem Rücken liegend, regelmäßig atmete. Den Mund etwas offen. In diesem Zustand hatte ihr Gesicht etwas Rührendes.
    Ihr möglicherweise ein bißchen zu rundes Gesicht. Daß sie letzthin so zugenommen hatte, entsprach gar nicht ihrem Typus. Sein erster Eindruck von ihr: ein vollkommen anderer. Als Frau Plöhn war sie für seinen Geschmack fast zu schlank gewesen.
    Seine Emma indessen fand sie sehr anziehend. Dieser Fabrikant, hatte sie gesagt, wie heißt er, Plöhn, ist ein langweiliger Mensch. Doch seine Frau hat was ausgesprochen Apartes. Um ihretwillen, hatte sie gemeint, sollte man die beiden wieder einladen.
    Was ihn betraf, hatte er nichts dagegen gehabt. Obwohl es ihm, umgekehrt, kein Anliegen war. Die sogenannten gesellschaftlichen Kontakte waren Emmas Sache. Die meisten Leute, die sie einlud, waren ihm herzlich egal, manche, besonders ihre tratschenden Freundinnen, gingen ihm ausgesprochen auf die Nerven.
    Der langweilige Herr Plöhn allerdings war ein guter Zuhörer. Kam den Hausherrn die Laune an, über fremde Länder und Menschen zu referieren, so hing er mit sympathisch naiven Augen an seinen Lippen. Seine Gattin indessen, apart mochte sie ja sein, ließ sich, kaum hatte sie den Kaffee ausgetrunken, allzu bereitwillig

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