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Vom Wunsch, Indianer zu werden

Vom Wunsch, Indianer zu werden

Titel: Vom Wunsch, Indianer zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henisch
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ohne Ihren blöden Rapport habe ich ihn längst im Zwischendeck beobachtet!
    Na und?
    Er weiß schon. Im Zwischendeck zwischen den Fässern.
    Nein, Papá!
    Sehen Sie, jetzt geniert er sich. Sehen Sie, jetzt ist es ihm peinlich.
    Hör auf, Papá!
    Auf einem zusammengerollten Tau.
    Papá!
    Auf einem zusammengerollten, nach Teer stinkenden Tau. Mit diesem Flittchen!
    Was für ein Flittchen?
    Na also, Frau May zeigt Wirkung.
    Sag schon, fordert der Vater seinen mißratenen Sohn auf, heißt sie Frieda, heißt sie Leni?
    Der Sohn hat genug. Der Sohn verweigert die Aussage.
    Weil sie den Rock gehoben hat, triumphiert der Vater, weil diese widerliche Gans den Rock so und so gehoben hat, hat er sich an sie herangemacht, hat er sich nicht beherrschen können, hat er mit ihr das Andenken seiner Mutter und seiner Schwestern geschändet!
    Jetzt reichts aber, findet Frau Klara und zieht ihre Hände vom Tisch weg.
    Doch das Gespenst will trotzdem das letzte Wort haben.
    Die Weiber wollen doch alle nur das eine, ruft es, wenn auch leiser und leiser werdend. O schaudervoll! Höchst schaudervoll! Gedenke mein!
    Und dann heult ein Sturm (wieder draußen, auf Deck, an der Reling). Wellen, gepeitscht, der Mond hinter panischen Fluchtwolken. Haare zerrauft, der Herr Franz umlichtert von Elmsfeuern. Wie er ein Bein über die Reling hebt. Um Gottes willen, Herr Kafka, tun Sie das nicht!
    Doch, er muß es tun, ruft der Herr Franz, sein Vater verlangt es.
    So tu doch was, Schätzle! Der Sturm reißt der Frau May die Worte vom Mund.
    Leichter gesagt als getan. Dem Herrn May spritzt die Gischt ins Gesicht.
    Herr Franz, hören Sie mich?
    Kaum. Da ist wieder dieser Ton in seinem Kopf.
    Herr Franz, ich bitte Sie! Machen Sie sich und uns nicht unglücklich!
    Was haben Sie gesagt? Ich kann Sie so schwer verstehen. Mein Kopf ist am Zerplatzen!
    Der Herr Franz und sein Bein. Die Frau May, wie sie resolut gegen den Sturm kämpft.
    Red keinen Unsinn, Franz, sagt sie, du verstehst uns ganz gut.
    Weiche, Verführerin, ruft der Herr Franz, wenn du mich anrührst, spring ich!
    Und was, fragt May, plötzlich erstaunlich ruhig, sollte das für einen Sinn haben?
    Nur die Ruhe, denkt er. Kaltblütigkeit, auch in den extremsten Situationen. Das ist es, was den Erfolg Old Shatterhands ausmacht.
    Was für einen Sinn hätte es also?
    Es ist der Wille meines Vaters!
    Unsinn, sagt May, auch wenn er inzwischen ziemlich viel Salzwasser im Mund hat, das reden Sie sich bloß ein!
    Er nähert sich langsamlistig. Während der Herr Franz mit dem zweiten Bein bereits Schwung holt.
    Seien Sie doch vernünftig!
    Aber der Herr Franz will nicht vernünftig sein.
    Er schwimmt jetzt nämlich, sagt er, zurück nach Prag. Dort in der Schwimmschule an der Moldau hat ihm sein Vater vergeblich Tempi beizubringen versucht. Du wirst es niemals lernen, so der Vater zum Sohn. Jetzt wird der Sohn dem Vater zeigen, wie er inzwischen schwimmen gelernt hat.
    Ist das Ihr letztes Wort?
    Sein endgültig letztes.
    Na schön, sagt May, er kann auch andere Methoden anwenden.
    Das wär doch gelacht, wenn er mit so einem verrückten Flegel nicht fertig würde! Meschuggener Ritoch, ja. Der Ausdruck hat etwas Treffendes.
    Und wieder tut er zwei seinem Alter nicht mehr ganz gemäße Sprünge. Und landet, so schnell kann der Herr Franz gar nicht schauen, wie ein Schutz- oder Racheengel neben ihm. Und halb noch im Sprung oder Flug hat er ihn mit dem linken Arm umfaßt. Und knallt ihm, bevor er sich womöglich doch noch losreißt, die rechte Faust gegen die Schläfe.
    Frau Klara stößt einen kleinen, spitzen Schrei aus. Vor Schreck, Überraschung, Erleichterung, Stolz und Freude. Hast du ihn? Halt ihn fest! Aber Schätzle, wie hast du das bloß gemacht? Und May steht da, perplex seine Schmetterhand betrachtend.
    Danach: Durchfroren, durchnäßt, ihre Haare triefend. Wie die beiden den Herrn Franz also wieder in die Kabine bringen. Auf der Treppe und auf dem Korridor begegnen sie zum Glück niemand. Sehr leicht könnte man auf die Idee kommen, sie schleppten eine Leiche.
    Endlich geschafft! Die Tür zur Außenwelt fällt hinter ihnen zu. Am liebsten würden sie sich ganz einfach fallen lassen. Und sinken auch halb und halb nieder, dort, wo sie stehen. Aufatmend, ausschnaufend, unschlüssig, ob sie die Situation eher zum Lachen finden sollen oder zum Weinen.
    Doch der Herr Franz, ihr Schützling, ihr Fang, ihre Beute …
    Die Frage, was sie jetzt mit ihm anfangen sollen.
    Rhetorische Frage. Natürlich legen

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