Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt
eine gefährliche Gabe! Nicht, dass am Ende irgendwer behauptet, das Gleichnis vom Eierlegen stünde in der Bibel!“ Er war ein fröhlicher Mensch, der immer für einen Spaß zu haben war. Aber wenn es um Jesus ging, hörte für ihn irgendwann der Spaß auf.
An einem Sonntag reiste Antonius einmal nach Rimini und wollte hier den Bürgern der Stadt predigen. Die Menschen dort wussten, dass er kommen würde, und hatten schon auf ihn gewartet. So fand er eine recht große Menschenmenge auf dem Marktplatz versammelt, als er endlich durch das Stadttor schritt. Für die wartenden Leute war heute ein ganz besonderer Tag, den sie deswegen auch ordentlich feiern wollten. Außerdem waren viele von ihnen von weiter her angereist, um Antonius hören zu können, und hatten nun ihre Brote und Oliven, ihren Käse und die Tomaten ausgepackt, um sich erst einmal zu stärken. Als Antonius jetzt auf ein Podest stieg, damit ihn alle hören konnten, kam es ihm vor, als stünde er inmitten eines Jahrmarktes: Hier wurde gelacht und gestritten, dort tauschte man Waren, andere wiederum waren mit essen und trinken beschäftigt. Irgendwie schien sich niemand für ihn zu interessieren.
„Hört, ihr Bewohner von Rimini“, rief Antonius laut. Das Gemurmel auf dem Platz wurde ein bisschen leiser und einige Köpfte wandten sich in seine Richtung. „Hört, was ich euch über unseren Herrn Jesus zu berichten habe!“, sagte Antonius, so laut er konnte. Nach ein paar Sekunden war es beinahe still geworden. Antonius freute sich und begann mit seiner Predigt. Aber er war erst ein paar Sätze weit gekommen, als das Gemurmel wieder losging. Er hörte Flaschenkorken ploppen und leises Gelächter aus den letzten Reihen. Das konnte doch nicht wahr sein!
„Hört, ihr Bewohner von Rimini! Was ich euch zu sagen habe, ist wichtig! Es wird euer Leben verändern!“, rief Antonius mit lauter Stimme. Im selben Moment wurde es wieder still. „Hä-rem“, machte Antonius, stricht sich die Haare glatt, schob seine Ärmel nach oben und fuhr mit seiner Predigt fort. Doch irgendwie waren die Leute von Rimini an diesem Morgen mehr daran interessiert, wie man wohl dieses köstliche Brot backte, das der Nachbar mit auf den Marktplatz gebracht hatte, und wie groß die Kinder der Cousine geworden waren, die heute extra angereist war. Alle freuten sich wie immer über die schöne Stimme von Antonius. Und auch das, was er sagte, war sicher spannend, aber man konnte ihn so schlecht verstehen. Daher redeten die Menschen einfach mit ihrem Nachbarn weiter über ihre Schafherden und wie niedrig der Wollpreis im Augenblick war.
Antonius machte noch ein paarmal laut „Hä-rem!“, fuhr sich über die Haare und schob seine Ärmel rauf, aber irgendwann musste er sich eingestehen, dass ihm niemand zuhörte. Selbst das Gleichnis vom Eierlegen löste heute nicht mal Stirnrunzeln aus. Plötzlich platze ihm der Kragen: „Ihr Kleingläubigen! Ihr Händler! Ihr Schwätzer!“, rief er über den Platz. Und jetzt war es plötzlich mucksmäuschenstill. „Ich sollte euch vertreiben, wie Jesus die Händler aus dem Tempel getrieben hat! Geht doch nach Hause und lebt einfach so weiter, jeder für sich, ohne links und rechts zu schauen! Wenn es in eurem Lebennichts Wichtigeres gibt als Schafsherden, Wollpreise und dass ihr euch den Bauch vollschlagen könnt, seid ihr meine Worte nicht wert!“ Antonius hatte einen ganz roten Kopf bekommen, so kochte er. Und seine Haare waren auch schrecklich in Unordnung geraten.
Die Leute von Rimini schauten jetzt betreten auf ihre Schuhe und Zehen. Antonius aber hatte die Nase voll. Er hüpfte von seinem Podest, schob sich die Ärmel hoch und bahnte sich einen Weg durch die Menge Richtung Stadttor. Dort blieb er noch einmal stehen. „Pff“, machte er, „wenn es euch so wenig interessiert, was ich zu sagen habe, dann erzähle ich es halt den Fischen. Die können wenigstens zuhören!“ „Die können ja auch nicht weglaufen“, hörte man eine leise Stimme antworten. „Pah!“, sagte Antonius, „ich gehe! Macht, was ihr wollt!“ Damit drehte er sich um seine eigene Achse und marschierte aus dem Stadttor hinaus, hinunter ans Meer.
Hier stellte er sich tatsächlich ans Ufer und fing seine Predigt noch einmal von vorne an. Und ihr werdet es nicht glauben: Erst kamen die Katzen, die hier herumstreunten, und setzten sich Antonius zu Füßen. Wie schondamals, als er Kind war, maunzten sie manchmal fröhlich und es schien wirklich, als würden sie ihn
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