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Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt

Titel: Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patmos
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Endlich streckte Franziskus die Hand aus. „Komm her, Bruder Wolf, du bist wunderschön. Sei mein Freund, dann werde ich deiner sein.“ Und plötzlich gab der Wolf sich einen Ruck und tappte zu Franziskus. Der fuhr ihm mit der Hand über den Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren. „Spürst du, wie schön das ist?“, flüsterte Franziskus. Und ob der Wolf das spürte! Da legte er tatsächlich Franziskus seine Pfote auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen. Franziskus lächelte und nahm den Wolf fest in den Arm. Dann sagte er: „Komm, Bruder Wolf, wir zeigen den Menschen in der Stadt, dass sie keine Angst mehr vor dir haben müssen – und du wirst sehen, du brauchst sie auch nicht zu fürchten!“ Franziskus stand auf und ging denselben Weg zurück in die Stadt, den er gekommen war. Der Wolf sprang neben ihm her wie ein junger Hund, und Franziskus streichelte ihm immer wieder sanft über den Kopf.
    Die Menschen in der Stadt hatten alles genau von der Stadtmauer aus beobachtet und den Atem angehalten. Sie konnten fast nicht glauben, was sie da sahen! Als Franziskus vor dem Stadttor ankam, öffneten sie vorsichtig die Tür und schauten ängstlich auf Franziskus und den Wolf. „Liebe Einwohner von Gubbio, ihr braucht keine Angst mehr zu haben. Bruder Wolf wird euch nichts mehr tun. Ihr müsst mir aber versprechen, dass auch ihr ihm nichts mehr tut! Er ist mein Freund, und ich werde auf ihn aufpassen.“ „Franziskus, wie hast du das gemacht?“, fragten ihn die Menschen. „Du kannst mit den Tieren reden und sie verstehen dich!“ Ungläubig schauten sie ihn an.
    „Nun steht nicht da wie die Ölgötzen“, rief Franziskus fröhlich, „ihr seid befreit, befreit von der Angst voreinander, ist das nicht ein Grund, sich zu freuen?“ Da stimmten alle in sein Gelächter ein und nahmen ihn und den Wolf in ihre Mitte. Seit dieser Zeit waren Franziskus und sein Bruder Wolf unzertrennlich. Und wo er auch hinging, folgte ihm der Wolf. Die Nachricht, dass Franziskus sogar mit den Tieren sprechen kann, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Gegend. Und wenn die Menschen Franziskus vorher schon sehr gern hatten, so bewunderten sie ihn jetzt heimlich sogar und lachten nicht mehr über ihn.
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    Namenstag:
    4. Oktober

Von Broten und von Rosen – Elisabeth ist nicht aufzuhalten!
    Elisabeth war schrecklich traurig. „Warum kann ich den Armen im Dorf nichts mehr bringen, sonst hattest du doch auch nie etwas dagegen?“, fragte sie ihren Mann und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Weil …“, Ludwig machte eine Pause. „Weil wir sonst irgendwann selbst nichts mehr haben, deshalb“, sagte erbestimmt. „Du weißt, dass wir noch immer mehr als genug haben, Ludwig. Bis wir verhungern, muss schon ein ganzes Kreuzzugsheer in unserer Vorratskammer wüten!“ „Es ist mir egal, ich möchte einfach nicht, dass du gehst, und damit basta!“ Ludwig schaute seine Frau wütend an. Und Elisabeth schaute ebenso wütend zurück. Dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in ihrem Zimmer.
    Elisabeth war eine Königstocher und schon mit vierzehn Jahren mit Ludwig, dem Landgrafen von Thüringen, verheiratet worden. Das war ganz normal damals und allen Freundinnen von Elisabeth ging es nicht anders. Aber einen Unterschied gab es doch zu ihnen: Elisabeth hatte ihren Mann wirklich sehr lieb, lieber als alle Menschen, die sie sonst kannte.
    Umso weniger verstand sie, was jetzt in ihn gefahren war! Ludwig hatte sie von dem Tag an unterstützt, als Elisabeth völlig verwirrt aus der Stadt gekommen war. Heimlich hatte sie sich von der Wartburg, in der sie mit Ludwig wohnte, hinunter nach Eisenach geschlichen. Elisabeth war noch nie allein dort gewesen, immer hatte sie irgendwer von den Leuten begleitet, die auf der Burg wohnten und den ganzen Tag um sie herumwuselten. Das ging ihr auf die Nerven! Nie konnte sie mal allein sein. Und nie konnte sie mal wirklich den Menschen begegnen, die sie doch eigentlich regieren sollte. Also war sie heimlich gegangen. Was sie dann aber in den Gassen zu sehen bekam, tat ihr in der Seele weh: Kinder mit spindeldürren Armen und riesigen Augen, die an einem Stück verschimmeltem Brot nagten. Frauen,die kaum gehen konnten vor Schmerzen und trotzdem auf der Straße bettelten. Alte, die vor ihren Häusern saßen und sich nicht mehr bewegen konnten, um die sich aber niemand kümmerte.
    Nach ein paar Stunden war Elisabeth den ganzen Weg zur Burg zurückgerannt und mitten in ein

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