Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)
hatte. Sein Leben hatte sich vollkommen verändert. Er würde sich auch ändern müssen, um damit Schritt zu halten.
Er ließ Weaver weiterschlafen, legte Beemer neben ihr ins Bett und ging hinüber zu Glendas Wohnwagen. Im gleichen Augenblick kamen Mab und Oliver daran vorbei, und Mab rief zu Glenda hinüber: »Vielen Dank, dass du für mich ausgepackt hast, das war lieb von dir. Und der Tee ist köstlich.«
Glenda winkte ihr von ihrem Liegestuhl aus zu, auf dem sie in Decken gewickelt lag, eine riesige Sonnenbrille auf der Nase, einen Longdrink mit Schirmchen in der Hand und einen Roman auf dem Schoß.
Jetzt fehlte ihr nur noch ein Diener mit Fächer. Ethan bemühte sich, diesen Gedanken nicht weiterzuverfolgen. »Guten Morgen. Ich habe Neuigkeiten für dich.«
»Du bist mit Kampf-Barbie verlobt.« Glenda nickte. »Soll mir recht sein. Sie wird mir kräftige Enkel schenken, die mir Rückendeckung geben, wenn ich älter werde.«
»Die Kugel ist raus.«
Glenda zog sich die Sonnenbrille vom Gesicht und blickte ihn scharf an. »Was?«
»Du hattest recht, ich meine wegen der Guardia , dass ich nicht sterben würde. Die Kugel ist nach draußen gewandert.«
Er wühlte in der Tasche danach und reichte sie ihr. »Ich werde nicht sterben.«
»Natürlich nicht, das hab ich dir doch gesagt«, erwiderte Glenda, aber ihre Stimme schwankte, und sie betrachtete die Kugel und schluckte schwer, bevor sie fortfuhr: »Aber danke, dass du’s mir gesagt hast.« Ihr Gesicht verzog sich. »Ach, Ethan, ich bin ja so froh.«
»Ich auch, Mom«, erwiderte Ethan, bevor sie sich in Tränen auflösen konnte. »Hast du immer noch dieses Gebräu?«
Glenda blinzelte die Tränen weg. »Welches Gebräu?«
»Dieses grauenhafte Zeug, mit dem du mich neulich Abend fast umgebracht hättest.«
Sie schob sich ihre Brille wieder auf die Nase. »Sei nicht so empfindlich. Ich wollte dich nicht umbringen, sondern retten. Aber jetzt kannst du ja machen, was du willst, also leugne nur die Wahrheit, wenn du …«
»Hör auf mit dem Quatsch, Mom. Wir haben schon fast den Gefrierpunkt erreicht, und du führst dich auf wie eine Rentnerin in Miami Beach.«
»Ich bin Rentnerin«, erwiderte Glenda fröhlich. »Ich genieße jetzt meine goldenen Jahre. Mit meinem Sohn. Der nicht sterben wird.« Lächelnd hob sie ihren Drink und verdarb dann ihre Vorstellung, indem sie kurz aufschluchzte.
»Und ich will dafür sorgen, dass alles sicher ist, damit du das auch kannst«, erklärte Ethan.
Glenda leerte ihren Schirmchen-Drink und nahm die Sonnenbrille ab. »Meinst du das ernst?«
»Ja.« Er holte tief Luft. »Ich meine es sehr ernst. Ich habe noch ein ganzes Leben vor mir. Es wird Zeit, dass ich es endlich mal richtig mache.«
Glenda setzte sich die Sonnenbrille wieder auf, nahm ihr Glas und hielt es ihm entgegen. »Gießt du mir bitte noch mal ein?«
»Glenda, ich muss …«
»Diese große Plastikkanne, in der ich dir früher immer Limonade gemacht habe, ist voll mit Daiquiri. Neben dem Kühlschrank steht dein Flachmann. Da ist dein« – sie wedelte mit der Hand – »Gebräu drin.«
Ethan sah sie überrascht an. »Du hast das schon für mich gemacht?«
»Tja, ich bin schließlich deine Mutter.«
»Allerdings.« Ethan ging hinein, füllte Glendas Drink nach und nahm seinen Flachmann an sich. Dann kehrte er zu ihr zurück und reichte ihr den Drink. »Du bleibst hier.«
»Auf alle Fälle«, versicherte Glenda.
Ethan zögerte. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Natürlich.«
»Haben deine Augen je geglüht?«
Glenda saß reglos da. »Was meinst du damit?«
»Ich dachte, glühende Augen sind ein Zeichen für Dämonen«, meinte Ethan langsam. »Sind sie auch ein Zeichen für Guardia ?«
»Nein. Geh außer Hörweite, wenn du das Zeug trinkst, ja?«
Ethan überließ Glenda ihrem neuen Rentnerdasein und ging in den Wald, weit außer Hörweite. Er zog den Flachmann hervor, schraubte den Deckel ab, zögerte einen Augenblick und nahm dann einen großen Schluck.
Sofort brach er auf die Knie nieder und übergab sich heftig. Er blieb auf den Knien und nahm einen zweiten Schluck, zwang die Flüssigkeit hinunter. Es fühlte sich an wie Feuer, das durch seine Adern schoss, wie Säure, die in seinem Magen tobte. Er trank den Flachmann leer bis auf den letzten Tropfen und schwemmte jede Spur von Alkohol aus seinem System. Von seiner schweißnassen Haut stieg Dampf auf.
Schließlich schraubte Ethan mit bebenden Händen den Deckel wieder auf und erhob sich. So.
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