Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)
aufgewachsen sind, ist ein Job in einem Vergnügungspark das Letzte, was Sie wollen. Hatten Sie als Kind nicht irgendwann mal genug davon?«
»Ich war als Kind nie hier im Park«, erwiderte Mab. »Ich durfte nie hierherkommen. Im Sommer habe ich abends die Musik gehört, so nahe wohnten wir damals. Und vom Dachfenster aus konnte ich die Lichter sehen.« Sie schluckte, denn sie empfand wieder die Sehnsucht nach den Lichtern, als wäre es gestern gewesen, und lächelte ihn dann gezwungen an. »Ich war nie im Park, aber ich habe am College meine Abschlussarbeit in Kunstgeschichte über Karnevale und Vergnügungsparks und Zigeunerwagen geschrieben, und meine Doktorarbeit über die Karnevalskunst, also … nein, ich tue das hier nicht für Ray.«
»Ach«, sagte Ethan. »Dann bedeutet es Ihnen viel, in Dreamland zu sein.«
»Nein, es ist einfach ein Job«, log Mab.
»Aha.« Ethan blickte verlegen drein, und Mab hätte gern das Thema gewechselt, aber er blieb beharrlich. »Und was bedeutet es Ihrem Onkel?«
»Wie?«
»Er ist sehr oft hier. Was will er in Dreamland ?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Mab. »Kann ich jetzt wieder an meine Arbeit?«
»Gibt es hier irgendetwas, was er haben will?«, fuhr Ethan ungerührt fort. »Oder kommt er jetzt nur so oft, weil er es als Kind nicht durfte?«
»Als Kind ist er immer hier gewesen«, erwiderte Mab. »Er hatte mit fünfzehn sogar sein ›Bloß-raus-aus-der-Stadt‹-Offenbarungserlebnis hier im Park.«
»Was?«, knurrte Ethan sie an, als hätte sie etwas Unflätiges gesagt.
»Tja, meine Mutter hat mir erzählt, dass Ray einst an einem Halloween-Abend hierherging, und vom nächsten Morgen an tat er alles, was er konnte, um von Parkersburg wegzukommen.« Wobei, dachte Mab, schon die Tatsache, ein Brannigan in Parkersburg zu sein, Grund genug war, alles zu tun, um von Parkersburg wegzukommen.
»Mit fünfzehn Jahren«, wiederholte Ethan nachdenklich. »Was ist denn damals geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Drei Jahre später machte er seinen Highschool-Abschluss, und am Tag darauf verschwand er und kam nicht zurück. Deswegen kenne ich ihn kaum.« Daraufhin herrschte Schweigen, und schließlich setzte sie hinzu: »Ich war zwei Jahre alt, als er ging. Wir hatten keinerlei Bindung.«
»Aber jetzt ist er wieder hier.«
»Tja, das ist er. Und jetzt muss ich wieder an meine Arbeit.«
»Haben Sie hier nachts schon mal schwarz gekleidete Männer herumrennen sehen? Bewaffnet?«
»Nein. Aber ich würde sie auch nicht sehen, außer sie rennen mich um. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit. Mit der ich jetzt weitermachen müsste.«
»Gestern Abend war jemand mit Hightech-Ausrüstung im Park. Und der hat …«
»Hightech?« In Mab regte sich Interesse. »Genug Hightech, um eine Eisenstatue in Bewegung zu setzen?«
»… mich niedergeschossen.«
»Denn das würde vielleicht weiterhelfen. Ehrlich gesagt scheint mir die Sache mit der Halluzination an den Haaren herbeigezogen. Denn ich weiß, was ich gesehen habe, und so etwas konnte ich gar nicht gesehen haben, also eine Halluzination. Das passt nicht zu mir. Ich bin nicht hysterisch. Und jetzt haben Sie Fußabdrücke gefunden … Aber wenn diese Männer in Schwarz Statuen fernsteuern …« Dann wurden ihr seine letzten Worte bewusst. »Sie wurden niedergeschossen?« Sie betrachtete ihn zweifelnd. »Sieht man Ihnen gar nicht an.«
»Es war eine sehr merkwürdige Kugel.« Ethans Blick fiel auf den Magneten, der auf ihrer Arbeitstasche lag, und er runzelte die Stirn. »Darf ich mir den Magneten kurz ausleihen?«
Sie nahm den Magneten und reichte ihn ihm. »Sie glauben also, dass es ein Hightech-Trick war? Nicht der FunFun vom Eingangstor?«
»Doch, es war die Statue vom Tor, wir haben sie hinter der Meerjungfrau-Kreuzfahrt gefunden.« Ethan wühlte in seiner Tasche und brachte etwas zum Vorschein, das wie ein gezahnter Metallring aussah. Als er ihn dem Magneten langsam annäherte, wurde er von dem Magneten schon aus einigen Zentimetern Entfernung angezogen.
»Was ist das?«
»Die Kugel, von der ich getroffen wurde. Aber Kugeln sind normalerweise aus Blei oder Stahl. Nicht aus Eisen.«
»Das ist eine Kugel?«, wunderte sich Mab, dann schüttelte sie den Kopf. »Na, egal, ist mir vollkommen egal. Sie haben also den FunFun vom Eingangstor gefunden. Vielen Dank. Jetzt muss ich weiterarbeiten.«
»Also, wen alles haben Sie abends im Park gesehen?«
Mab seufzte. Vielleicht würde sie ihn schneller loswerden, wenn sie
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