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Von der Erde zum Mond

Von der Erde zum Mond

Titel: Von der Erde zum Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Millionen und Milliarden von Milliarden Lieues! Ist dagegen die Distanz der Planeten von der Sonne noch der Rede werth? Kann man behaupten, das sei eine Entfernung? Irrthum! Unwahrheit! Sinnentäuschung! Wissen Sie, was ich von der Welt halte, die von dem strahlenden Gestirn beginnt und mit dem Neptun endigt? Soll ich Ihnen meine Theorie sagen? Sie ist sehr einfach: In meinen Augen ist diese Sonnenwelt ein solider, gleichartiger Körper; die Planeten, aus welchen er besteht, sind sich ganz nahe, berühren sich, und der zwischen ihnen befindliche Raum will nicht mehr bedeuten, als der zwischen den Elementartheilchen des festesten Metalls, Silber, Gold oder Platina! Ich behaupte mit vollem Recht, und wiederhole mit einer Ueberzeugung, die Sie alle durchdringen wird: Distanz ist ein inhaltsleeres Wort, Distanz existirt nicht!«
    – Gut gesprochen! Bravo! Hurrah! rief einstimmig die Versammlung, die von den Bewegungen, dem Accent des Redners, von der Kühnheit seiner Begriffe elektrisirt war.
    – Nein! rief Maston energischer als die anderen, die Distanz existirt nicht.
    Und das Ungestüm seiner Bewegungen, der Schwung seines Körpers, dessen er kaum noch Meister war, brachte ihn fast dahin, daß er vom Gerüst herabfiel. Doch gelang es ihm, wieder in’s Gleichgewicht zu kommen, und damit einen Sturz zu vermeiden, der ihm einen derben Beweis geliefert hätte, daß die Distanz nicht ein inhaltleerer Begriff ist. Darauf fuhr der fesselnde Redner fort:
    »Meine Freunde«, sprach Michel Ardan, »ich denke, diese Frage ist nunmehr gelöst. Wenn ich Sie nicht Alle überzeugt habe, so liegt der Grund in der Schüchternheit meiner Beweisführung, der Schwäche meiner Begründung und Mangel an hinreichenden theoretischen Studien. Wie dem auch sei, ich wiederhole, die Entfernung der Erde von ihren Trabanten ist in Wirklichkeit von geringer Bedeutung, und nicht werth, einen ernsten Geist befangen zu machen. Ich glaube daher nicht zu weit zu gehen, wenn ich behaupte, man werde bald Projectilzüge einrichten, um mit Bequemlichkeit die Reise zum Mond vorzunehmen, und man wird dies Ziel rasch erreichen, ohne Ermüdung, in gerader Linie, ›im Flug der Biene‹, um einen Ausdruck Eurer Pelzjäger zu gebrauchen. Ehe zwanzig Jahre verflossen sind, wird die Hälfte der Erdbewohner einen Besuch auf dem Mond gemacht haben!«
    – Hurrah! Hurrah! für Michel Ardan! riefen die Anwesenden, selbst die am wenigsten überzeugt waren.
    – Hurrah für Barbicane! erwiderte der Redner bescheiden.
    Diese Anerkennung des Urhebers der Unternehmung wurde mit einstimmigem Beifall aufgenommen.
    »Jetzt, meine Freunde«, fuhr Michel Ardan fort, »wenn Sie eine Frage an mich zu richten haben, werden Sie mich armen Menschen wohl in Verlegenheit setzen, doch ich will mich zu antworten bemühen.«
    Bis dahin hatte der Präsident des Gun-Clubs Grund, mit der Haltung der Debatte zufrieden zu sein. Sie war auf die speculativen Theorien gerichtet, worin Michel Ardan, von seiner lebhaften Phantasie fortgerissen, sich sehr glänzend zeigte. Man mußte ihn nur abhalten, sich den praktischen Fragen zuzuwenden, woraus er sich schwerlich eben so gut gezogen hätte. Barbicane ergriff daher schnell das Wort und richtete an seinen neuen Freund die Frage, ob er meine, daß der Mond oder die Planeten bewohnt seien.
    »Du stellst mir da, mein würdiger Präsident, eine große Aufgabe zur Lösung«, erwiderte der Redner lächelnd; »doch, irre ich nicht, so haben Männer von großer Einsicht, Plutarch, Swedenborg, Bernardin de St. Pierre und viele Andere sich bejahend über dieselbe ausgesprochen. Vom Standpunkt der Naturphilosophie aus wäre ich geneigt, ihnen beizustimmen; ich würde mir sagen, daß in der Welt nichts Zweckloses existirt, und indem ich eine Frage mit einer anderen beantworte, Freund Barbicane, würde ich die Behauptung aufstellen: wenn die Welten bewohnbar sind, so sind sie entweder bewohnt, oder sind es gewesen, oder werden es sein.«
    – Sehr gut! riefen die Zuhörer der vordersten Reihen, deren Meinung Gesetzeskraft für die hinteren hatte.
    – Man kann nicht logischer und richtiger antworten, sagte der Präsident des Gun-Clubs. Die Frage ist also auf die zurückgeführt: »Sind die Welten bewohnbar?« – Ich meines Theils glaube es.
    »Und ich bin davon überzeugt«, erwiderte Michel Ardan.
    – Doch giebt es, entgegnete einer der Anwesenden, Gründe gegen die Bewohnbarkeit der Welten. Offenbar müßten bei den meisten die ersten Lebensbedingungen

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