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Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Titel: Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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bin ich auch der Ansicht, wer sich aus freien Stücken das Problembündel anderer Leute aufhalst, sollte sich nicht über zu viel Arbeit beklagen. Stimmt, das wäre ja der Gipfel.
    Und so entstand, lebendig, bündig und geradezu revolutionär, der Kleine Ratgeber zu einigen Wahrheiten unseres Daseins * , der Frieden und heitere Gelassenheit in euer Leben bringen sollte. Und der einiges Aufsehen erregte, das könnt ihr mir glauben. Das Resultat lässt sich sehen. Ihr macht einen entspannten Eindruck, der Magen hat sich entkrampft, das Herz beruhigt, die Stirn geglättet. Und in eurem Hosenbund, ich ahne es,steckt die kleine Schrift von damals, die euch so sicher an den rauen Klippen des Daseins vorbei in die spiegelglatten Buchten der Seelenruhe geleitete. Das also wäre getan, reden wir nicht mehr drüber, es liegt hinter uns, bedankt euch nicht, im Gegenteil, ich habe euch zu danken. Und so seht ihr mich, gekleidet in grobes Linnen und Sandalen, wie ich gemächlichen Schritts umherschlendere und aus den Augenwinkeln die Wohltaten betrachte, die wir eingefahren haben. Reiben wir uns still die Hände.
    Dennoch mache ich mir Sorgen. Ich würde nämlich einen schweren Fehler begehen, wenn ich euch weiter so friedlich im Wasser planschen ließe. Ja, denn Glückseligkeit bringt in kürzester Zeit einen ebenso heimtückischen wie unauffälligen Feind hervor: die Langeweile. Seinerzeit habe ich kaum von ihm gesprochen, dazu waren wir viel zu sehr mit den Verwicklungen von Liebe und Metaphysik beschäftigt, ihr erinnert euch. Zu der Zeit wussten wir nicht, wo wir zuerst hinrennen sollten, wir stürzten scharenweise von einem Problem zum andern, verbanden Wunden in Eile, pumpten Toxine ab, räumten Hindernisse aus dem Weg, versetzten Berge, eine Heidenarbeit, die uns fünf Tage am Stück in Atem hielt. Doch die Langeweile,länger kann ich es euch kaum verbergen, ist eine derart korrosive Substanz, dass sie allein sämtliche Fundamente, Zapfen und Zapfenlöcher eures Glücks zerfressen kann. Die Langeweile ist für die Seligkeit, was die Mistel für den Apfelbaum ist, das heißt – ich übersetze für alle, die nicht das Glück haben, in der Normandie geboren zu sein –, was der Parasit für den Baum, was die Ratte für das Schiff ist. Die Langeweile ist die ultimative Bedrohung, ein überflüssiger, gefräßiger Dreck, den sich Satan persönlich an einem müßigen Abend ausgedacht hat, nachdem er zuvor alle Menschengegenden mit Kriegen überzogen hatte. Wenn ich »Satan« sage, dann aus Spaß, rein zum Vergnügen, denn ich habe euch ja unlängst bewiesen, dass es den Teufel nicht gibt, wodurch sich zwei Drittel unseres verfinsterten Horizonts schlagartig lichteten, erinnert euch. Doch ich bin ja da, und ich passe auf. Ich lasse die Langeweile nicht aus den Augen, die sich an eure dösenden Körper heranschleicht. Aber Gott sei Dank gibt es einen lieben Gott – und wenn ich »Gott« sage, so aus Spaß, denn die Frage haben wir bereits vor Zeiten gründlich ventiliert –, mithin auch Ablenkungen von der Langeweile, ziemlich viele sogar. Ein Schlüssel für jedes Schloss, wie ich euch seinerzeit zu eurer Beruhigung klarmachte.
    Wir könnten hier in wenigen Sätzen etwas über den Ursprung dieser Ablenkungen sagen, die sich schon früh, bereits im Karbon, vom Zweig der Hymenoptera abgekoppelt haben, über ihre Evolutionsgeschichte laut Darwin, ihre verschiedenen Gattungen und Untergattungen, ihre Verwendbarkeit in der Praxis. Ich kenne euer neugieriges Wesen, ich weiß, das hättet ihr gern. Doch ohne euren Wissensdurst zügeln zu wollen, halte ich es nicht für sinnvoll, diese gerade entstehende Schrift in ein Handbuch der Paläontologie menschlicher Probleme und ihrer möglichen Zerstreuungen ausufern zu lassen.
    Nein, an dem Punkt, an dem wir mit diesem kleinen Opus sind, halte ich es für sehr viel nützlicher, zunächst eine Idee zu finden. Ein ausgezeichneter Plan, ich schlage die Sache vor, ich starte das Projekt. Ein umso geeigneteres Projekt, als die Idee ein wirksames Gegengift für die Langeweile ist, vielleicht das mächtigste überhaupt, ein geradezu eherner Schild. Und jeder kann sich daran beteiligen. Wobei ich persönlich bereits eine Idee habe, das sei gesagt. Aber ich bin ein Mensch von offenem Wesen, ich bin für die Beteiligung aller. Und ich sehe nicht, warum die Idee für ein Buch zwangsläufig vom Autor kommen muss und nicht vom Leser. Immerhin handelt es sich umein gemeinschaftliches Werk, es wäre

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