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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Magen. Er tanzte mit Ravenna.

38.
    C asper mochte ja derjenige sein, der bei dem Tanz führte, doch es war nur zu deutlich, wer wirklich die Macht innehatte. Sie tanzten langsam, und Ravennas Mund befand sich nahe genug an seiner Halsschlagader, um sie ihm herauszureißen, als sie ihm etwas ins Ohr flüsterte. Als sie sich drehten, konnte ich sein Gesicht sehen. Er war kreidebleich, und in seinem Gesicht stand kaum verhüllte Wut. Das Lied endete, doch sie ließ seine Hand, die sie während des Tanzes gehalten hatte, nicht los. Stattdessen zog sie ihn mit sich zum Bludaltar und blieb mit ihm davor stehen.
    »Volk von Frostland!«, rief sie aus, und jedermann drängte sich um sie. Der Duft des kommenden Zuckerschnees lag schwer in der Luft, und dunstige Wolken wirbelten am indigoblauen Nachthimmel wie Milch in Blut und verdunkelten den Mond.
    »Meine Freunde, ich habe großartige Neuigkeiten. Unser Zuckerschnee ist dieses Jahr doppelt gesegnet. Hier unter uns befindet sich der größte Musiker von ganz Sang. Der Maestro persönlich, Casper Sterling!« Höflicher Applaus und Geflüster erhoben sich, und Casper stieß einen langen, schaudernden Atemzug aus. »Er wurde erst kürzlich verwandelt, möchte aber die näheren Umstände nicht preisgeben. Doch ausnahmsweise einmal ist eine Abscheulichkeit ein willkommenes Mitglied in unseren Reihen. Mein Volk, wünschen wir die Schneehymne zu hören, gespielt vom talentiertesten Cembalisten der Welt?«
    Der darauffolgende Applaus war ohrenbetäubend. Die letzten paar Jahre waren mager gewesen, und so war alles, was zum Vorteil gereichen konnte, willkommen. Wenn es um fehlerloses Spielen und perfekten Takt ging, bot ein einziger berühmter und fähiger Mann, der sein Instrument in- und auswendig kannte, eine bessere Chance als ein ganzes Orchester.
    Andererseits hatte niemand je die Schneehymne gehört, mit Ausnahme des Bludvolks, das jedes Jahr zu diesem Ball kam. Die Hymne war nirgends niedergeschrieben, und sie war nicht allgemein bekannt, sondern galt als großes Geheimnis. Wie er Ravenna und ihrem Hofstaat diesen Gefallen erweisen wollte, ohne dabei eine Tragödie auszulösen, ging über meinen Verstand. Wenigstens hatte er ihr nicht von mir erzählt. Wenn sie von mir wüsste, würde ich schon längst um mein Leben kämpfen. Ich konzentrierte mich darauf, meine Krallen wieder zu strecken, und versuchte, so normal und unschuldig wie möglich zu wirken.
    Als ich zusah, wie Ravenna Casper zu dem großen weißen Cembalo unter der Treppe führte, legte sich eine kalte Hand um mein Handgelenk.
    »Darf ich –«
    »Ich werde diesen Tanz auslassen«, fauchte ich und versuchte, mein Handgelenk loszureißen – vergeblich.
    »Das werden Sie nicht.«
    Es war der Dandy. Besser gesagt, die Dandys. Einer an jeder Seite. Das Lächeln der beiden, zufrieden und selbstsicher, sagte mir, dass sie mehr wussten, als mir lieb war. Sie packten mich jeder an einem Arm, und als ich mich wehrte, holte der violett gekleidete ein metallenes Gerät hervor, wie das mit Meerwasser gefüllte Ding, das der Attentäter im Zug bei sich gehabt hatte.
    »Das Tanzen zur Schneehymne gilt als patriotische Pflicht«, sagte einer der beiden, und der andere nickte und fügte hinzu: »Den Tanz zu verweigern, wird oft mit einer guten Enthauptung vergolten.«
    Ich zeigte ihnen die Zähne und fühlte, wie der Jagdrausch durch meine Adern raste. Ich würde ihnen ihre Herzen herausreißen und ihre schicken Jacketts in Grund und Boden stampfen, wenn sie meine Handgelenke nicht losließen.
    »Oh, ich denke, diese hier wollen wir nicht enthaupten, Burschen.«
    Die beiden drehten mich herum – und endlich sah ich mich meiner Feindin von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ravenna grinste, und in ihren dunklen Augen stand Wahnsinn. Mein Bruder Alex war nirgendwo zu sehen.
    Ich holte tief Luft und begegnete ihrem Blick, während die beiden Dandys weiter meine Handgelenke festhielten.
    »Keine Worte, die du an deine Königin zu richten hast? Dann verbeuge dich vor mir, kleiner Pfau.«
    Der Zorn in mir wuchs, doch ich blieb so still wie eine Statue, so reglos wie der Bludaltar, so unbewegt, wie der weiße Mond hoch am Himmel.
    Ihre blutroten Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. »Nehmt ihr die Maske ab.«
    Einer der Dandys zog die Schnüre auf, und das stolze Antlitz des Pfaus zerschmetterte auf dem Boden. Die Nachtluft fühlte sich kühl und willkommen auf meiner erhitzten Haut an, doch Ravennas schrilles

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