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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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seinen Gesten lag die angeborene Grazie eines Bludmannes. Bei einer derart großen Tanzfläche war es einfach, sich vom Altar fernzuhalten und auch kein anderes Paar zu streifen. Zu Lebzeiten meiner Mutter hatte ein jeder die Nähe der Zarina gesucht, in der Hoffnung auf ein wohlwollendes Wort, wenn Röcke sich zufällig streiften oder wenn ein besonders edles Kleid ihre Aufmerksamkeit erregte. Diesmal trieben sich alle in Ravennas Nähe herum, unsicher und voller Furcht, aber dennoch, tief im Inneren, angezogen vom gefährlichsten Raubwesen der Gegend. Ich wollte das nicht mitansehen, also konzentrierte ich mich auf Casper.
    Er war einfach nur großartig. Hätte ich diesen Mann zufällig von der anderen Seite ebendieser Lichtung aus erblickt, ich hätte sicher seine Nähe gesucht, wie ein Kompass, der sich genau nach Norden ausrichtet, wie ein Blitz, der zielsicher den höchsten Baum findet. Die Eindringlichkeit seines Blickes, gepaart mit der Belustigung um seinen Mund. Die klare Kontur seines Kinns und die weichen Wellen seines Haares. Die breiten Schultern, die das alberne Jackett zu einem Kunstwerk machten, und seine gute Figur, die Muskeln und Konturen in den eng anliegenden Hosen. Lediglich das Gefühl seiner bloßen Hände vermisste ich. Die dunklen Handschuhe mochten gut das Einzige sein, das zwischen uns und einer Enttarnung stand. Ich hoffte nur, dass niemand genau genug hinsah, um zu bemerken, dass seine Hände nicht die Klauen eines Bludmannes waren.
    »Du bist noch schöner als dein Porträt«, flüsterte er mir ins Ohr.
    »Du kannst doch nicht einmal mein Gesicht sehen.«
    »Muss ich auch nicht.«
    Er drehte mich von sich weg und wieder zurück, und der schwere Rock wirbelte um meine Knöchel. Als er mich wieder an sich zog, stieg mir sein Duft in die Nase, zusammen mit der Verheißung auf Schnee, einer fremdartigen Mischung aus Sonne und Dunkelheit, Sandelholz und Tannenbäumen, altem Holz und neuem Blud. Die Tänzer um uns herum wurden so unwichtig wie Asche im Sturm, flatterige Flocken von nichts. Unsere brennenden Blicke trafen sich, und unsere Füße bewegten sich wie Blätter im Wind. Erst als er mich in eine Drehung von sich wegleitete und sich dann verbeugte, bemerkte ich, dass das Lied vorüber war.
    Dann nahm er meine Hand und geleitete mich zu einem Tisch mit Leckereien, die dort von rangniederen Bluddienern angerichtet waren. Ich senkte den Blick und hoffte, dass sie mich nicht erkennen würden, doch zugleich wusste ich, dass von uns erwartet wurde, dass wir aßen, und dass jeder Tropfen Blut mich stärker machte.
    Natürlich konnte Casper nichts über all die fantasievollen Genüsse eines Festmahls für Bludleute wissen, also nahm ich einen Kringel kandierter Tangerine, die in Blutzucker getaucht war, und hielt ihn an seine Lippen. Seine Mundwinkel zuckten, und seine Augen wurden schmal, aber er war klug genug, nicht abzulehnen.
    »Das ist ja so bizarr«, sagte er kauend. »Ich mag es und hasse es zugleich. Aber es schmeckt vertraut.«
    Ich steckte mir ein Stück in den Mund und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl sein mochte, davon zum ersten Mal im Leben zu kosten. Der klare herbe Geschmack der Orange, gepaart mit dem wachsweichen Blut und dem kristallinen Überzug. Aber ich konnte es nicht recht nachvollziehen. Ich hatte diesen Geschmack immer geliebt, ebenso wie ich mein ganzes Leben in meinem eigenen Körper verbracht hatte.
    »Bist du glücklich?«, fragte ich ihn, noch bevor mein Verstand meinen Mund bremsen konnte.
    »Ich bin, wie ich bin, das ist genug. Gewahrt mich kein Mensch in der Welt, so sitz ich zufrieden.«
    »Bah. Ein Ball ist kein Ort für deine Philosophien, Meister …« Ich verstummte. Sterling war ein Pinkiename, ganz offensichtlich aus der Welt, die die Pinkies übernommen hatten, und in der Bludleute als Monster galten. Sein Name musste machtvoll klingen, unerschrocken und grausam. »Meister Scathing«, sagte ich, und ließ mir den Klang auf der Zunge zergehen.
    »Das ist nicht … Ich bin nicht …«
    »Dann eher Sniveling? Strafing? Starving? Savage?«
    Einen Augenblick lang war er wieder ein Mensch, der mit sich kämpfte. Dann, als würde er Wasser abschütteln, wirkte er plötzlich ein Stück größer, seine Schultern breiter, und seine Augen füllten sich mit Donnergrollen, als er über meine Schulter hinweg eine neue Bedrohung entdeckte.
    »Möchte die Dame gerne tanzen?«
    Ich drehte mich um, den Mund vor Überraschung offen, und fand mich einem der

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