Von der Nacht verzaubert
werden wir all unsere Kräfte brauchen.«
Mit ernster Miene machten sich alle auf den Weg in die Küche. Dieses Treffen hatte weniger als eine Stunde gedauert, dennoch war es bald neun. Viel Zeit blieb nicht mehr, bis die Frist ablief.
Nur Jules blieb zurück und verließ neben mir das Zimmer. »Vincent bittet mich, für ihn mit dir zu sprechen, weil eure Kommunikation noch nicht hundertprozentig klappt.«
Ich nickte.
»Er sagt, er muss uns begleiten. Wir brauchen seine Hilfe, um Charles zu finden. Er möchte, dass du in der Zwischenzeit nach Hause gehst und bei deinen Großeltern auf Nachricht von uns wartest.«
»Nein«, sagte ich stur. Dann wiederholte ich es noch einmal. »Nein, Vincent, auf keinen Fall. Ich werde verrückt vor Sorge um euch — und um Georgia. Ich möchte hier sein, wenn ihr zurückkommt.«
Jules hörte zu, dann sagte er: »Er ist einverstanden, weil er glaubt, dass du hier genauso gut aufgehoben bist wie bei deinen Großeltern. Und um Georgia brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Zumindest nicht heute Nacht. Solange sie auf der Party bleibt, wird ihr nichts passieren. Sie werden uns nicht angreifen, wenn dort Hunderte von Menschen als Augenzeugen herumstehen.«
Vertrau mir! Die Worte erschienen klar in meinem Kopf.
»Das tu ich«, sagte ich.
Während der folgenden halben Stunde herrschte kontrolliertes Chaos. Jeanne stellte verschiedene Speisen auf den Tisch, bevor sie über die Treppe in den Keller verschwand. Ich folgte ihr in die Trainingshalle (oder besser Waffenkammer) und schaute ihr dabei zu, wie sie jede Menge Schränke öffnete und wieder schloss. Sie zog schwere Instrumentenkoffer aus Wandschränken und legte sie mit der gleichen Emsigkeit aufgeklappt auf den Boden, wie sie sonst Croissants aus dem Ofen holte.
»Wie kann ich helfen?«, fragte ich.
»Gar nicht, bin schon fertig«, sagte sie, während sie einen letzten Koffer hervorholte, der wohl für einen Kontrabass gedacht war. Sie klappte auch diesen auf. Zum Vorschein kamen mehrere Fächer, die mit Schaumstoff ausgelegt waren. Wenn man sich im Raum umsah und die Umrisse mit den Waffen verglich, die überall an den Wänden hingen, ließen die vorgefertigten Mulden der Fantasie nicht allzu viel Spielraum.
Charlotte war die Erste, die die Treppe herunterkam und anfing, Waffen von den Wänden zu nehmen. Darunter waren Schwerter, ein Dolch, ein paar Objekte, die irgendwie ninjamäßig aussahen, so ähnlich wie Wurfsterne, und noch ein paar andere Waffen, die ich nicht mal hätte benennen können, wenn ich gewollt hätte. Sie drückte alle an ihren jeweiligen Platz in den Schaumstoff eines Koffers, der eigentlich für eine elektrische Gitarre gedacht war.
Dann zog sie sich bis auf ihre Unterwäsche aus und legte mehrere Schichten an: ein langärmliges, enges schwarzes Shirt und eine schwarze Lederhose, die sie in hohe Lederstiefel steckte. Jeanne half ihr in etwas, das aussah wie eine Schutzweste, darüber streifte Charlotte eine dunkle Sweatjacke. Eine schwarze Weste aus Kunstpelz rundete ihre Uniform ab, eine Sturmmaske steckte halb in der Brusttasche. Sie wirkte wie die rechte Hand von Attila, dem Hunnenkönig. Sie sah schlichtweg lebensgefährlich aus.
Die gesamte Aktion — Zusammenpacken und Umziehen — hatte nicht mal fünf Minuten gedauert. Als sie fertig war, erschienen auch schon Ambrose und Jules und begannen damit, ihrerseits Waffen zusammenzusammeln, die sie in ihren Koffern platzierten.
Der Kontrabasskoffer gehörte zu Ambrose. Er steckte nach und nach eine überaus beeindruckende Sammlung von Streitäxten, Schwertern, Streitkolben und anderen gefährlich aussehenden Klingen hinein. Jeanne hatte die Kleidung für die Jungs schon rausgelegt und rieb sich die Hände, während sie sich stolz umsah. Sie wirkte wie eine Großmutter, die ihre geliebten Enkelkinder verabschiedet, um sie zur Schule zu schicken.
»All das braucht ihr, um gegen die Numa zu kämpfen?«, fragte ich Charlotte, die sich neben mich gestellt hatte.
Ich bekam ein komisches Gefühl im Bauch. Als würde eine Miniatur-Anaconda meine Eingeweide zusammenquetschen. Ich machte mir keine Sorgen um Vincent, schließlich war er volant , weshalb Lucien und seine Leute ihm sicher nicht gefährlich werden konnten. Doch angesichts der kugelsicheren Westen und all der anderen Schutzkleidung wurde mir bewusst, in welche Gefahr sich meine neuen Freunde begeben würden.
»Und wer ist wie immer zuerst fertig?«, fragte Charlotte spöttisch an Ambrose und
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