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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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umspülten mich, so als könne mir nichts passieren, solange Vincent meine Hand hielt. Das musste irgendein übernatürlicher Trick sein.
    Ich setzte mich vorsichtig auf die Bettkante und schaute Vincent prüfend an. »Ich habe keine Schmerzen«, versicherte er mir und verstärkte den Druck seiner Hand.
    »Also, Kate, du kannst mich anfassen«, sagte Vincent laut, sodass alle im Zimmer ihn hören konnten. »Das heißt, ich bin kein Gespenst.«
    »Und wir sind keine richtigen Zombies«, fügte Charles mit einem Grinsen hinzu, »sonst hätte er dir schon längst etwas abgenagt.«
    Vincent ignorierte ihn. »Wir sind keine Vampire oder Werwölfe oder irgendetwas anderes, vor dem du Angst haben müsstest. Wir sind Revenants. Wir sind zwar keine Menschen«, er machte eine Pause, um wieder Kraft zu schöpfen, »aber wir werden dir nichts tun.«
    Ich versuchte, mich zu sammeln, bevor ich, so gefasst ich konnte, sagte: »Ihr seid also alle ... tot. Aber ihr seht aus, als wärt ihr lebendig. Von dir mal abgesehen«, sagte ich zögerlich an Vincent gewandt. »Obwohl du schon besser aussiehst als gestern Abend«, räumte ich ein.
    Vincent wirkte ernst. »Jules, würdest du Kate deine Geschichte erzählen? Vielleicht ist das die beste Erklärung. Gaspard hat recht, ich schaff das gerade nicht allein.«
    Jules hielt meinem Blick stand. »Also gut, Kate. Ich weiß, dass das unglaublich klingt, aber ich wurde 1897 geboren. In einem kleinen Ort in der Nähe von Paris. Mein Vater war Arzt, meine Mutter Hebamme. Weil früh klar war, dass ich künstlerisches Talent hatte, schickten sie mich mit sechzehn nach Paris, um Malerei zu studieren. Meine Ausbildung währte nur kurz, weil ich 1914 zum Kriegsdienst einberufen wurde. Ich kämpfte zwei Jahre lang gegen die Deutschen, bis ich im September 1916 bei der Schlacht um Verdun fiel. Damit wäre meine Geschichte zu Ende gewesen, wenn ich nicht drei Tage später aufgewacht wäre.«
    Es wurde still und ich versuchte zu begreifen, was ich da gerade gehört hatte. »Wie, du bist aufgewacht?«, brachte ich schließlich hervor. Dieser junge Mann, der nicht älter aussah als zwanzig, behauptete, er wäre über einhundert Jahre alt?
    »Streng genommen wurde er belebt«, korrigierte Gaspard mit erhobenem Zeigefinger, »und ist nicht aufgewacht.«
    »Ich wurde wieder lebendig«, stellte Jules klar.
    »Aber wie?«, fragte ich ungläubig. Vincents Hand in meiner machte mir Mut. »Wie konntest du wieder lebendig werden? Außer natürlich, du warst gar nicht richtig tot.«
    »Doch, doch, ich war tot. Das steht außer Frage. Niemand überlebt es, in so viele Einzelteile gerissen zu werden.« Jules’ Grinsen erstarb auf seinen Lippen, als er sah, wie blass ich wurde.
    »Gönn unserem Gast mal ’ne Pause«, sagte Ambrose. »Das ist alles ein bisschen viel auf einmal.« Er schaute zu mir herüber. »Es gibt so ein ... wie soll ich das nennen, ohne zu sehr nach Twilight Zone zu klingen? Es gibt so etwas wie ein universelles Gesetz. Wenn du unter besonderen Umständen anstelle von jemand anderem stirbst, wirst du wieder lebendig. Du bist drei Tage lang tot und dann wachst du wieder auf.«
    »Du wirst belebt«, korrigierte ihn Gaspard erneut.
    »Du wachst auf«, beharrte Ambrose, »und, mal abgesehen davon, dass du Hunger hast wie ein Wolf, bist du genau dieselbe Person, die du vorher auch gewesen bist.«
    »Nur, dass du danach nie wieder schlafen musst«, fügte Charles hinzu.
    »Chucky, hast du mal was von Informationsüberflutung gehört?«, fragte Ambrose und ballte seine Hände verzweifelt zu Fäusten.
    »Kate«, sagte Charlotte sanft, »sterben und belebt zu werden, ist sehr anstrengend für den ganzen Organismus. Wir haben danach einen anderen Lebensrhythmus. ›Belebt‹ trifft es eigentlich sehr gut. Wir sind so belebt, dass wir erst mal länger als drei Wochen am Stück wach bleiben können. Dann macht unser Körper Pause und wir schlafen für drei Tage wie tot. So wie Vincent das gerade hinter sich hat.«
    »Du willst damit sagen, dass wir für drei Tage tot sind ...«, setzte Charles an.
    Aber Charlotte unterbrach ihn. »Wir sind nicht tot, wir ›ruhen‹ nur. Unser Körper schläft, aber unser Geist ist wach. Sobald unser Körper aufwacht, beginnt für uns wieder eine mehrwöchige, aber schlaflose Normalität.«
    Charles murmelte: »Ja, schon klar.«
    »Das ist zumindest der grobe Rahmen«, half Gaspard.
    »Das heißt, du hast gestern ... geruht?«, fragte ich Vincent.
    Er nickte. »Das war der

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