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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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gewesen und er würde nie wieder versuchen, Kontakt aufzunehmen. Du wolltest es doch so, sagte ich mir selbst. Oder etwa nicht?
    Sobald ich nachdenken würde, wäre alles vorbei. Also schaltete ich meinen Verstand ab und überließ meinen Körper sich selbst. Das schien zu funktionieren. Ich konnte ohne Vincent leben. Ich war unabhängig. Eigenständig. Ich war vielleicht nicht glücklich, aber ich war auch nicht unglücklich. Ich war einfach nur ... da.
    Die Schule wurde wieder zur willkommenen Ablenkung. So konnte ich die Tage in immer der gleichen, gefühllosen Monotonie absitzen. Eines Tages hatte ich auf dem Heimweg in einem meiner seltenen klaren Momente eine Erkenntnis. Seit ich Vincent an der Tür hatte stehen lassen, waren nicht mal zwei Wochen vergangen. Es hatte sich angefühlt, als wäre das schon Monate her. Ich hatte mich beglückwünscht, einen Marathon hinter mich gebracht zu haben, dabei war ich gerade erst losgelaufen.
    Kurz darauf verließ ich die Metrostation und erkannte in der schemenhaften Gestalt, die gegen eine Telefonzelle gelehnt dastand, eine mir bekannte Person. Charlotte. Als sie mich sah, hellten sich ihre Gesichtszüge auf. »Kate!«, rief sie, kam zu mir gehüpft und küsste mich auf beide Wangen.
    »Charlotte, was für eine Überraschung!« Ich lächelte und sah mich neugierig um, ob jemand sie begleitete.
    »Ich warte auf Charles. Oh, da kommt er schon«, sagte sie und sah an mir vorbei Richtung Treppe.
    Charles kam auf uns zu, alle Körperteile da, wo sie hingehörten. Er wirkte gesünder denn je, hatte aber die mieseste Laune, die man sich vorstellen konnte. Sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich noch mehr, als er mich erkannte. »Was will denn diese Menschenperson hier?«, fragte er.
    »Entschuldige mal, ich hab einen Namen. Und um deine Frage zu beantworten: Ich wohne hier«, verteidigte ich mich. »Du bist nicht der Einzige, der an der Rue du Bac aus der Metro aussteigt.«
    »Ich meinte auch eher, was du hier bei Charlotte verloren hast.«
    »Wir sind uns hier begegnet. Zufällig.« Warum rechtfertige ich mich denn vor diesem unausstehlichen Halbwüchsigen , fragte ich mich, wütend über mich selbst.
    »Ich dachte, dass wir dich nie Wiedersehen müssten, nachdem du Vincent abserviert hast.«
    »Aber«, sagte ich und setzte ein großes, falsches Lächeln auf, »hier bin ich nun mal. Also, mach’s gut, Charlotte. Es war schön, dass wir uns gesehen haben. Ich muss weiter.«
    Ich drehte mich um und stiefelte los, aber Charles rief mir etwas hinterher. »Du kannst von uns wohl nicht genug bekommen, was? Was willst du denn? Dass wir dich noch mal retten? Oder lockst du uns lieber auch in eine Falle, so wie Ambrose?«
    »Was soll das denn heißen?«, schrie ich und wirbelte herum.
    »Nichts, nichts. Das soll gar nichts heißen. Vergiss einfach, dass ich überhaupt was gesagt habe«, blaffte er mich an. Wütend steckte er die Hände in die Hosentaschen und stampfte davon.
    Charlotte sah mich entschuldigend an.
    »Was sollte das denn? Was hab ich denn gemacht?«, keuchte ich aufgebracht.
    »Nichts, Kate. Du hast nichts gemacht. Mach dir keinen Kopf, das ist Charles’ eigenes Ding.«
    »Warum hat er mich denn dann so angefahren?« Ich war noch immer fassungslos und konnte mich nicht bewegen vor lauter Schreck.
    »Hast du Lust, dich mit mir an den Fluss zu setzen?«, fragte sie, meine Frage ignorierend. »Ich hatte gehofft, dir früher oder später über den Weg zu laufen, wir sind ja schließlich Nachbarn. Natürlich hab ich dich zwischendurch mal gesehen, aber es wäre irgendwie merkwürdig gewesen, wenn ich dir einfach hinterhergerannt wäre.«
    »Jetzt sag nicht, dass du mich beobachtet hast«, meinte ich halb im Scherz.
    Charlotte kommentierte das nicht, aber grinste verschlagen wie eine Katze.
    »Warte mal. Heißt das, du hast mich tatsächlich beobachtet?«
    »Keine Sorge, Vincent hat mich nicht drum gebeten. Wir beobachten eben einfach Leute, das gehört ja zu unserem Alltag. Und wenn man das den ganzen Tag lang macht, ist es schwer, nicht auch die Leute zu beobachten, die einen sogar interessieren.«
    »Du interessierst dich für mich?«
    »Ja.«
    »Wieso?«
    »Hm, mal überlegen. Zum einen bist du das erste Mädchen, in das Vincent sich verliebt hat, seit er ein Revenant ist. Allein diese Tatsache ist schon sehr faszinierend für uns alle.«
    »Ich möchte nicht über ihn sprechen«, protestierte ich.
    »Also gut, dann klammern wir ihn eben vollständig aus.

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