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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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zustimmend. »Man sagt, insgesamt seien dreißigtausend Widerstandskämpfer wie wir während der Besatzung getötet worden. Das ist zumindest die offizielle Zahl. Davon waren natürlich ein paar schuldig im Sinne der Anklage, aber viele waren unschuldig und wurden nur entführt und umgebracht, um den Widerstand ihrer Landsleute zu vergelten.«
    »Das war wirklich mutig, was ihr beide da für die Familie getan habt.«
    »Na, hättest du das denn nicht gemacht? Was hätten wir denn sonst tun sollen?«
    Wir kamen an eine steinerne Bank und setzten uns.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich schließlich. »Ich hoffe, ich hätte auch so gehandelt. Aber es gab nur ein paar Menschen, die so mutig waren wie ihr. Vielleicht bist du deswegen Revenant geworden«, sagte ich.
    »Das vermutet Jean-Baptiste auch. Er glaubt, dass das Lebenretten in uns steckt und es einfach unsere Bestimmung ist. Aber wer weiß das schon?« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Was ich jedoch weiß, ist, dass ich jetzt andere vor dem Schmerz bewahren kann, der mir selbst widerfahren ist, als meine Eltern gestorben sind. Das macht es ein bisschen leichter, das endlose Trauma, das unser Dasein mit sich bringt, zu ertragen.«
    Ich nickte und beobachtete sie dabei, wie sie gedankenverloren an ihren Fingernägeln knibbelte. »Was ist denn mit Charles los?«, fragte ich schließlich.
    »Es ist das gleiche Lied«, sagte sie. »Er kommt nicht damit klar, dass er das kleine Mädchen bei dem Bootsunfall nicht retten konnte. In den letzten Wochen war er ...« Sie überlegte wohl, wie viel sie mir verraten wollte, »ein bisschen besessen von der ganzen Sache.«
    »Aber er wird doch darüber hinwegkommen, oder?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe es heute Morgen Jean-Baptiste erzählt. Er wird mal mit Charles reden.«
    »Vielleicht hilft es ja«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf, als wäre sie nicht davon überzeugt. »Können wir das Thema wechseln?«
    »Ja, klar«, sagte ich und suchte etwas, worüber wir uns unterhalten konnten. »Was ist denn eigentlich so schlimm daran, mit so vielen umwerfenden Männern unter einem Dach zu wohnen? Damit meine ich jetzt nicht direkt Gaspard oder Jean-Baptiste, obwohl die vielleicht auf ihre Weise für irgendjemanden sicher auch umwerfend sind ...«, ich verstummte langsam.
    Sie lachte laut los. »Nee, die sind ganz sicher nicht umwerfend«, stimmte sie mir zu. »Bei uns liegt so viel Testosteron in der Luft, dass ich mich frage, warum mir noch kein Bart gewachsen ist. Ich atme das ja ständig ein.«
    Jetzt lachte ich. Wie fremd das war. So als würde ich Chinesisch sprechen. Es fühlte sich unnatürlich an, aber nicht schlecht.
    Charlotte grinste mich schief an, ein bisschen stolz darüber, dass sie meinen Schutzpanzer durchbrochen hatte. »Aber mal im Ernst«, räumte sie ein. »Sie sind meine Familie geworden. Wir wohnen ja schon jahrzehntelang zusammen. Die Revenants auf dem Land müssen ständig umziehen, damit die Dorfbewohner sie nicht wiedererkennen, wenn sie gestorben sind, um jemanden zu retten. Die ziehen von einem von Jean-Baptistes Landhäusern zum andern. Die meisten von ihnen sind sogar froh darüber, aber für mich wäre das nichts. Diese Männer sind jetzt meine Familie, ich könnte sie nicht einfach verlassen.«
    »Hast du je ...«, ich brach ab, weil ich mir plötzlich nicht mehr sicher war, ob die Frage nicht zu weit ging.
    »Was?«, fragte Charlotte interessiert.
    »Hast du einen Freund?«
    Charlotte seufzte. »Das ist genauso problematisch, wie normale Freundinnen zu finden. Anfangs könnte ich sicher irgendwas erfinden, warum ich drei Tage pro Monat wie vom Erdboden verschluckt bin, aber das würde ja nicht lange ohne Erklärung funktionieren. Und wenn ich dann auch noch ein paar Tage verschwinde, sobald ich für jemanden sterbe ... Nein, das geht nicht. Und ich kann auch nicht einfach so was nebenher laufen haben wie Jules oder Ambrose. Wenn ich mich verliebe, dann richtig.«
    »Hast du dich denn schon mal verliebt?«
    Sie lief rot an und fixierte ihre Hände. »Ja, aber er leider nicht ... Er sich leider nicht in mich.« Sie sprach so leise, ich konnte sie fast nicht mehr verstehen.
    »Warum versuchst du’s nicht mal mit einem Revenant?«
    Sie lehnte sich mit einem traurigen Lächeln vor, schlang ihre Arme um ihren Körper und schaute aufs Wasser. »Es gibt nicht so viele von uns, die Auswahl ist nicht sehr groß.«
    Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte, also nahm ich

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