Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.« Anschließend spazierten Armstrong und Aldrin in ihren Raumanzügen durch das »Meer der Ruhe«. Mit Raumhelm und Sauerstofftank, der wie ein großer Buckel auf dem Rücken befestigt war, hüpften sie wie ungelenke Gespenster über die Mondoberfläche. Deutlich spürten sie in ihren schwerfälligen Bewegungen die Leichtigkeit einer verringerten Schwerkraft, während kaltes Wasser kontinuierlich in kleinen Röhrchen durch ihre Kunststoffanzüge floss und für Kühlung sorgte.
Nur 21 Stunden blieben Armstrong und Aldrin auf dem Erdtrabanten, sie machten Fotos, sammelten Steine und nahmen Staubproben. Zudem stellten sie eine Fahne, einen Spiegel und einen Seismographen auf, ehe sie zu ihrem Mutterschiff zurückkehrten.
Begeistert verfolgte ich damals am flackernden Bildschirm – zusammen mit weltweit 600 Millionen Fernsehzuschauern – die schemenhaften Bilder vom Spaziergang auf dem Mond. Bilder, die aus der Unermesslichkeit des Alls zur Erde gefunkt wurden und den Beginn einer neuen Epoche einleiteten. Bilder, die mein Vorstellungsvermögen nährten und nur schwer zu fassen waren. Bilder, die mich niemals so ganz losließen.
Zum Mare Tranquilitatis bin ich natürlich nie gelangt, doch fand ich mein »Meer der Ruhe« zwei Jahre nach der ersten Mondlandung im Süden Marokkos, wo sich die Sahara ausdehnt, die größte Wüste der Welt, die die Araber Bahr bela Ma nennen – »Meer ohne Wasser«. Nichts konnte damals meinen Blick mehr bannen als diese endlose Weite, in der ich glückliche Tage voller faszinierender Naturerscheinungen erlebte. Meine Begeisterung und Neugier für die Wüsten der Welt und mein Wunsch, ihre Geheimnisse zu durchdringen, waren geweckt. Damals ahnte ich schon, dass mich die Wüste nicht mehr loslassen würde. Denn es war Liebe auf den ersten Blick.
Seit jenen Tagen – ich war damals siebzehn – hat nichts mein Leben, mein Denken und Fühlen nachhaltiger beeinflusst und verändert als die Wüsten der Erde, die für mich atemberaubende Räume der Schönheit und Stille sind. Magische Räume jenseits aller Vorstellungskraft, maßlos, unberechenbar, lebensfeindlich. In vier Jahrzehnten habe ich mir zu Fuß und per Kamel 27 Wüsten erwandert. Mehr als 2000 Tage habe ich in den Einöden verbracht und rund 20 000 Kilometer wie ein Nomade zurückgelegt. Im Laufe der Zeit ließ mich das Wüstenwandern regelrecht süchtig werden. Die schier grenzenlosen Weiten aus Sand und Stein wurden für mich zur Droge, von der ich nicht mehr lassen kann.
Als ich mich damals auf die Wüste einließ, war alles so herrlich fremd. Ich erlebte eine Welt der Widersprüche, die sich mir einerseits sehr karg und abweisend zeigte, andererseits aber auch bunt und belebt. Denn auch hier gab es Bäume, Büsche und Blüten sowie Menschen und Tiere, die mehr oder weniger perfekt angepasst lebten und sich an die schwierigen Lebensumstände dieser scheinbar unbewohnbaren Extremwelt gewöhnt hatten. Diese Beobachtung war mir in der Wüste unglaublich hilfreich. Ich spürte, dass auch ich mich in diese extreme Welt einfügen musste, sodass die wesentlichen Hindernisse nicht nur in den äußeren Umständen lagen, sondern vor allem in mir selbst.
Auch begriff ich, dass es eine gewisse Zeit der Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse brauchte, um das ureigene Universum der Nomaden kennenzulernen – ein Wunsch, der für mich zu einem einzigartigen Abenteuer wurde und die Erfüllung all meiner Träume war.
Was mir damals zudem sehr dienlich war, um den Geist und die Seele der Wüste zu erfassen, war die Begeisterung, die ich für die Landschaften der Ödnis empfand. Hingerissen von den Bühnenbildern erster Schöpfungstage, war ich tief bewegt von Sandmeeren und Gesteinskorridoren, von Salzseen und Hochplateaus, von bizarren Vulkangebirgen und himmelstürmenden Felswänden, von staubgefüllten Becken und ausgetrockneten Flussläufen. Hinzu kam das Farbenspiel des Lichts, wenn sich in der Abenddämmerung der Sand der Dünenketten auf der einen Seite rötete und die langen Schatten auf der anderen Flankenseite ganz schwarz wurden. Das waren Augenblicke, in denen ich erkannte, dass Weite und Enge in der Absolutheit eins sind.
Darüber hinaus erlebte ich jede Wüste als ein »Land der Ursprünge«, das vor allem anderen entstanden ist. Schon zu Beginn unserer Erdgeschichte beherrschten die Urwüsten alle kontinentalen Landmassen, nachdem
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