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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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und angenehm ermüdend wie ein anhaltender warmer Strom, der über Wochen durch meinen Körper rauschte. Ich hatte Gefallen am Meer. Es war nie langweilig. Meine Aussicht veränderte sich ständig mit dem Licht und mit dem Wind. An keinem Tag war die See wie zuvor. Manchmal dunkel, hell, kurz, lang, weiß, flau. Ich schlummerte hinweg in wohliger Stimmung. Da war gar nichts, was mich störte, und auch nichts, was ich vermisste. Zudem war ich absolut unerreichbar. Kein Funk, kein Radio, keine Uhr (was mich allerdings, wie schon erwähnt, in die Bredouille brachte), keine Pflichten (gut, Kurs halten war Pflicht, aber ich empfand es nicht als solche). Und dann natürlich genoss ich meine Segeltage, wenn ich auf dem Bauch an Deck lag und die Hand durchs Wasser ziehen ließ, genoss das Schwimmen auf 4000 Meter Wassertiefe oder stand am Heckkorb und staunte über die Kraft des Bootes. Wohliges Nichtstun manchmal, nur zusehen, wie wir übers Wasser flitzten. Es ging mir gut. Ich erwartete nichts weiter.
    Den letzten Druck machte ich mir, als Gran Canaria achteraus lag, die Insel mit meinem Abfahrtshafen Las Palmas. Ich schwang mich in die Kajüte, machte in der Seekarte ein dickes Kreuz und fügte Tag und Zeit hinzu. Doch dann stürzte ich schnell wieder an Deck. Riss mein Hemd über der Schulter frei und schrie in alle Richtungen: »Jetzt gehört das Meer uns.« Ein Gefühl von Aufatmen.
    Das Meer hatte mich berührt und erreicht. Und beglückt.
    Wirklich? Wirklich. Zumindest bis zu diesem Augenblick dicht vor den Antillen. Da ich keine Ahnung über meine Position hatte, wollte ich nun unbedingt Land sehen. Alles war plötzlich nicht mehr so lustig. Nervös kletterte ich in den Mast bis zur Saling und spähte angestrengt voraus – konnte aber nichts erkennen. Kein Land, keine Insel. »Mein Segelgott, das ist doch nicht möglich!«
    Eine Atlantiküberquerung von den Kanaren in die Karibik schaffen die meisten Segler in einem Monat. Ich segelte eindeutig langsamer, weil das Wetter nicht auf meiner Seite war und mir zudem das Leben auf dem Wasser gefiel. Auf mich wirkte dieses Element wie eine Verlockung, eine Droge. Sie sollte mir nicht verlorengehen.
    Dennoch: Nun kam ich nicht mehr zur Ruhe. Ich fand kaum Schlaf, konnte nicht essen, nicht abschalten, mich auf nichts konzentrieren.
    Ich zwang mich, in meine Kajüte zu steigen und mich hinzulegen. Als ich gegen Morgen wach wurde, stand ich Sekunden später wieder an Deck. Mir war, als ob ich endlich Land voraushatte. Hand über Hand enterte ich zum x-ten Mal den Mast halb hoch – und tatsächlich, da war Land. Kleine Eilande mit brechenden Seen über Untiefen dazwischen. Aufpassen, dachte ich, sind das etwa die Grenadinen? Sie waren es. Schnell befanden wir uns mitten in dem Archipel. Die Grenadinen waren wegen der zahlreichen Inseln und Untiefen die einzige Gegend, wo ich nicht landen wollte.
    In meinem Logtagebuch hielt ich fest:
    Der 47. Tag: Mit Mühe identifiziere ich anhand meiner Seekarte eine Insel voraus. Es ist Petit Canouan. Aber davor liegen Petite Moustique und Savan. Ich lege Kurs mittendurch. Mein Glück erscheint mir sagenhaft. Alle Mastkletterei hat sich gelohnt. Von Deck aus war Land nicht zu sehen. Hätte ich mich noch einmal in die Koje gelegt und die Seekarte studiert, wie ich es häufig morgens mache, wäre es zu spät gewesen – dann würden diese Zeilen nicht in meinem Logtagebuch stehen.
    Eigentlich hätte ich der glücklichste Mann in der Karibik sein müssen, doch das war nicht der Fall. Zuerst musste ich durch das Gewirr von Inselchen, Felsen und Brandung segeln. Die Seekarte wurde wichtig, der Kurs, der Ausguck, meine Übersicht. Die Schot verhakte sich. Das Vorliek killte. Der Fockbaum schleifte im Meer. Wo war die Seekarte? Ich flog über Deck.
    Nachdem ich die Enge Savan, Petite Moustique, Bequia und einige Felsbrocken passiert hatte peilte ich St. Vincent im Norden an. 20 Meilen entfernt gegen den Wind. Noch vor Anbruch der Dunkelheit würde ich dort sein. Ich hatte einen ganzen Nachmittag für läppische 20 Seemeilen. Jaa.
    Ich will es schaffen. St. Vincent, ich komme! Stelle die Segel um, Genua gegen Fock. Um beim Wenden schneller durch den Wind zu kommen, hetze ich über Deck und helfe die Genua überzuholen. Nutze jede Windänderung. Reiße wild an den Schoten. Passiere zwar noch Bequia, schaffe es aber nicht zu meinem Ziel. Eine weitere Nacht auf See steht mir bevor. Kräftiger Fluch. Dann wasche ich mein Landgangshemd und

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