Von Fall zu Fall
>Elch<.«
»Auf diese Weise kommt er also direkt nach Hause?«
»Ja. Manchmal macht er es streckenweise, in drei oder vier verschiedenen Autos. Ab und zu findet er auch einen Wagen, der ganz durchfährt.«
»Diesmal bekamen Sie von ihm eine Karte?«
»Aus Carver City, ja. Alles sei in Ordnung, schrieb er. Er habe den Sturm überstanden und fühle sich wohl. Allerdings sei er völlig pleite und warte da draußen an einer Tankstelle, die einem >Elch< gehöre. Wir könnten innerhalb vierundzwanzig Stunden mit seiner Ankunft rechnen.«
»Und seit Eintreffen dieser Karte?«
»Absolutes Schweigen«, sagte sie resigniert.
»Haben Sie daran gedacht, den Vorfall der Polizei zu melden?«
»Gedacht wohl, doch ich fürchte mich davor.«
»Weshalb?«
»Wenn die Polizei in Carver City irgend etwas feststellen würde, dann ginge doch alles den Amtsweg.«
»Na und?«
»Wenn er im Gefängnis wäre, würde die Polizei das feststellen und eine entsprechende Meldung durchgeben.«
»Sie meinen also, wenn wir die Sache in die Hand nähmen...?«
»Privatdetektive könnten ihn finden und... Nun, wenn ich Ihre Klientin wäre, könnten Sie mich doch schützen, oder nicht? Sie brauchten doch nicht jedem alles zu erzählen, was Sie wissen. Vielleicht könnten Sie sogar bewirken, daß er aus dem Gefängnis freikommt... Na, jedenfalls, daß es dann nicht so bekanntgemacht würde.«
»Sie wären also bereit, den Treuhänder zu täuschen, indem Sie ihm Informationen vorenthalten?«
Einen Moment senkte sie den Blick, dann sah sie mich trotzig an. »Jawohl«, erwiderte sie, »denn diese Bestimmung im Testament ist grausam und ungerecht. Erst dadurch verlor Amos sein Selbstvertrauen. Hätten sie ihn ganz in Ruhe gelassen, so wäre gewiß alles gut geworden. Er ist sich ja darüber klar, daß er ärztliche Behandlung braucht, aber dieser Treuhänder ist ein selbstgefälliger, hochtrabender Mensch, ein Egoist, der ganz über ihn bestimmen will.
Nach den Klauseln der Treuhandverwaltung bekommt Amos monatlich dreihundert Dollar, muß aber, um die in Empfang zu nehmen, jedesmal persönlich im Büro des Treuhänders erscheinen. Der gibt ihm die dreihundert in bar, und Amos unterschreibt eine Quittung. Jedesmal erteilt ihm dann der Treuhänder eine Lektion, daß er sich gefälligst zusammennehmen und es zu etwas bringen soll. Amos erbittert das derart, daß er beim Fortgehen vor Wut sprüht, und manchmal kommt gerade durch diese Moralpredigt die Gier, die in ihm schlummert, zum Ausbruch, und er fängt gleich an zu trinken.«
Ich blickte Sandra an. »Sandra weiß das wohl alles, ja?«
»Sandra hat mein volles Vertrauen, und ich habe das ihre«, antwortete Mrs. Eden.
»Besitzen Sie ein Foto von Amos?« fragte ich.
»Eine Momentaufnahme habe ich, auf der wir alle drei sind. Sie wurde vor etwa einem halben Jahr gemacht.«
»Ist er darauf gut getroffen?«
»Ich finde, ja.«
»Zeigen Sie mir doch bitte das Bild. Auch die Postkarte möchte ich gern sehen, wenn Sie die noch haben.«
Sie ging an ein Bücherregal und nahm einen Band mit dem Titel »Alfred Hitchcocks Kriminalmagazin« heraus. Weiter standen da eine dreibändige Ausgabe von Sherlock Holmes, mehrere Bände mit Rex Stouts Geschichten von Nero Wolfe und ein Buch mit dem Titel »Die Morde von Los Angeles«.
Ich machte ein ziemlich erstauntes Gesicht.
»Ja — das sind Sandras Bücher«, sagte sie. »Das Kind verschlingt geradezu Detektivromane und Mordberichte. Hier ist das Foto. Ich bewahre es in einem Buch auf, damit die Ränder glatt bleiben.«
»Ich übe mit Hilfe dieser Bücher meine Fähigkeit zu logischem Denken«, erklärte Sandra. »Und nun haben wir einen wirklichen Detektiv direkt bei uns in der Wohnung, Mutter.«
»Leider warst du zu impulsiv, liebes Kind«, sagte Mrs. Eden mit einem verzeihenden, verständnisvollen Lächeln.
Sie gab mir das Foto, ging an einen Tisch, wo die Postkarte lag, und gab mir auch diese. Ich betrachtete beides, schob das Foto in meine Tasche und fragte: »Seit dieser Karte aus Carver City haben Sie also nichts mehr von Amos Gage gehört?«
»Nein, überhaupt nichts mehr.«
»Gut«, sagte ich abschließend, indem ich ihr die Karte zurückgab, »ich werde das alles mal ein bißchen überschlafen und Ihnen Nachricht geben, ob wir den Fall übernehmen können.«
Ich gab ihr die Hand, und Sandra geleitete mich wie eine perfekte
eine Gastgeberin bis zum Ausgang.
Nachdenklich ging ich die Treppe hinunter. Auf der gegenüberliegenden
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