Von Feuer und Nacht
leistete.
Aber sein alter Freund lag ebenfalls in einem Bett, inmitten der Schwerverletzten. Tery'l hatte die anderen Angehörigen des Linsen-Geschlechts fortgeschickt und sie angewiesen, sich jenen zu widmen, die ihre Hilfe am dringendsten brauchten. »Ich bin zufrieden«, hatte er ihnen gesagt. »Ich weiß über alle Dinge Bescheid, von denen ihr mir erzählen könnt. Ich habe nichts zu befürchten.«
Kolker eilte zu dem übel zugerichteten alten Ildiraner. Tery'l trug Verbände an Kopf und Brust, und mit trüben Augen blickte er zum hellen, wolkenlosen Himmel auf. Er konnte den grünen Priester kaum erkennen, aber er wusste trotzdem sofort, wer ihn besuchte. »Ah, mein menschlicher Freund! Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, um mit mir zu sprechen.« Seine Lippen formten ein schwaches Lächeln. »Aber wenn Sie mehr Erleuchtung suchen, sollten Sie sich an jemanden wenden, dem mehr Zeit bleibt als mir.« Der alte Ildiraner versuchte zu lachen, aber es wurde nur ein Krächzen daraus.
Kolker sank auf die Knie. »Was ist passiert? Wo waren Sie?«
»Ich befand mich in der Nähe der Springbrunnen, wo die Prismen das Licht verstärken. Es war hell, warm und wunderschön.« Tery'l lächelte. »Die Leute brachten sich in Sicherheit, aber ich konnte nicht schnell genug laufen. Trümmer trafen mich, als die Kugelschiffe abstürzten. Jetzt sind von meinen Seelenfäden nur noch Fransen übrig.«
Kolker berührte den alten Ildiraner an der Stirn. »Ihre Wunden werden heilen. Die Hydroger sind besiegt, und die Ärzte kümmern sich um Sie. Es gibt keinen Grund, warum Sie sich nicht erholen sollten.«
»Zeir ist der Grund. Dieser Körper hat zu lange gelebt.
Ildiraner haben ein längeres Leben als Menschen, aber irgendwann erreicht auch unser Körper seine Grenzen.« Tery'l blickte wieder nach oben.
»Ich habe in meinem Leben viel Gutes getan. Als Angehöriger des Linsen-Geschlechts habe ich meinem Volk geholfen. Ich hoffe, dass unsere Dis- kussionen zumindest interessant für Sie waren, vielleicht sogar zum Nachdenken anregend.«
»Ja, das waren sie.« Kolker erzählte vom erneuerten Telkontakt und davon, wie er sein Selbst durch die Verbindungen des Weltwalds schickte. »Ich habe es mir so sehr gewünscht, doch als es endlich wieder so weit war ... Aus irgendeinem Grund genügt mir der Telkontakt nicht mehr.«
»Was geschieht mit grünen Priestern, wenn sie sterben?«, fragte Tery'l.
»Wenn wir wissen, dass unsere Zeit gekommen ist, übergeben wir unsere Seele dem Bewusstsein des Weltwalds. Wir verbinden uns im Telkontakt, und der Körper stirbt inmitten der Bäume.« Kolker schüttelte den Kopf, und seine Stimme wurde rau. »Wenn ich hier ohne einen Schössling gestorben wäre, hätte ich mich für immer verloren.
Früher habe ich Menschen bemitleidet, die keine grünen Priester waren. Ich wusste, dass ihre verbale und schriftliche Kommunikation nicht annähernd so präzise und detailliert war wie die Übermittlung von Gedanken durch die Bäume. Aber inzwischen ist mir die Exklusivität des Telkon-takts klar. Er vereint nicht die Menschheit, nur eine Handvoll grüner Priester. Das genügt nicht.«
»Vielleicht ist das alles, was Sie haben«, sagte Tery'l.
»Aber so muss es nicht sein! Wenn Menschen miteinander verbunden wären, so wie die Ildiraner im Thism, könnten wir einander verstehen, besser zusammenarbeiten und stärker werden. Dann gäbe es bei uns keine Fraktionen, Feinde und Bürgerkriege.«
»Offenbar haben Sie wirklich von uns gelernt, mein Freund. Seit Jahrtausenden gab es bei uns Ildiranern keine inneren Kämpfe, abgesehen von der Hyrillka-Rebellion -und die ging auf ein fehlerhaftes Thism zurück.«
»Ich wünschte, ich könnte Teil dieses Netzes sein, Tery'l.« Kolker fühlte Verzweiflung in seinem Herzen. »Ihr Thism fasziniert mich so sehr. Wenn ich mich ihm doch nur öffnen könnte...«
Der alte Ildiraner ergriff Kolkers Hand und drückte verblüffend fest zu. »Sie verstehen bereits mehr als Sie wissen. Es tröstet mich, dass Sie hier sind, aber noch mehr tröstet es mich, dass mein ganzes Volk bei mir ist, alle Ildiraner, die sich gegenseitig helfen und unterstützen.«
»Derzeit sollten Sie vor allem an sich selbst denken, daran, stark zu sein.«
»Ich bin stark. Und wir alle denken an uns. Wie sonst könnte ich in Zufriedenheit überlebt haben, als mein Sehvermögen nachließ? Das Thism half mir.« Mit der anderen Hand griff Tery'l nach dem kleinen, glänzenden Medaillon, das er immer
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