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Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Titel: Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Graefin von Bruehl
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sein, denn das Brot schmeckte danach, wenn sie es, noch warm vom Backen, für uns aufschnitt und mit frischer Butter aus der Milch ihrer Kühe und herrlichem Waldhonig bestrich. Den Honig hatte sie beim Förster geholt, der nebenbei ein passionierter Imker war. Nie werde ich vergessen, wie köstlich diese Brote geschmeckt haben. Aber die alte Frau ist gestorben, und die Jungbauern backen nur noch selten. Das Haus wird zentral beheizt, keine zusätzliche Energiequelle mehr gebraucht, und der Ofen ist nur noch ein Schmuckstück.
    Dabei handelt es sich um eines der ältesten Lebensmittel der Menschheitsgeschichte. Archäologischen Funden zufolge muss gesäuertes Brot etwa vor fünftausend Jahren bekannt geworden sein, unter anderem in Ägypten. Korn gemahlen, um daraus mit Wasser einen Teig herzustellen, haben die Menschen sogar schon vor dreißigtausend Jahren. Nördlich der Alpen wurden Hefeteige zur Brotherstellung erstmals 713 vor Christus nachgewiesen.
    Man kann es der Menschheit nicht verdenken. Brot ist nahrhaft und ganz einfach herzustellen: Mehl, Hefe und Wasser werden rasch mit kühlen Händen zu einer festen Masse geknetet. Dann muss der Teig einige Stunden lang ruhen, damit die Hefe gehen kann. Diese Zeit kann man gut nutzen, um in Ruhe ein Feuer im Ofen zu entfachen, damit er im rechten Augenblick die zum Backen notwendige, gleichbleibende Temperatur erreicht hat. Wenn die Hefe ihre Wirkung getan hat, knetet man den Teig noch |48| einmal tüchtig durch, legt ihn auf ein Blech und schiebt ihn in den warmen Ofen. In gut einer halben Stunde wird aus der unförmigen Masse ein wohlriechender, fest gebackener, brauner Laib.
    Doch im Zuge der Industrialisierung stellte sich im 19. Jahrhundert heraus, dass man mit Hilfe von Maschinen sehr schnell sehr viel mehr Waren herstellen und produzieren konnte als früher. Dank der aufkommenden Eisenbahnen konnte man die Produkte rasend schnell in alle Teile des Landes, ja der Erde verteilen. Der Gewinn, der sich dabei erzielen ließ, stand in keiner Relation mehr zum körperlichen Einsatz eines Einzelnen. Nur was schnell geht – war die neue Regel –, bringt viel Geld.
    Auch vor der Produktion von Nahrungsmitteln machte diese Entwicklung nicht halt. Essen muss schließlich jeder, Herstellung und Verkauf von Lebensmitteln wurden zum lukrativen Geschäft. Nur schnell musste es gehen. Und unverderblich sollten die Speisen sein. In dieser Zeit wurden viele neue Produkte entwickelt, die die Haltbarkeit von Nahrungsmitteln garantieren. Sie bestimmen heute noch unsere Küche und Einkaufslisten. So erfand der Franzose Hippolyte Mège-Mouriès 1871 die Margarine, 1886 Julius Maggi seine erste Fertigsuppe und später die nach ihm benannte Würze. Ab 1894 kam Dr. Rudolf-August Oetker mit dem Backpulver heraus, und in Holzminden entwickelte Wilhelm Haarmann damals das Vanillin. Auch in den USA gab es revolutionäre Erfindungen: 1886 rührte der Apotheker John Pemberton erstmals ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk zusammen, Vorläufer jener braunen Brause, die später als Coca-Cola ihre Weltkarriere startete. Kurz darauf, 1890, erblickte der erste Kaugummi das Licht der Welt.
    |49| Auch die Herstellung von Brot galt es zu beschleunigen. Man entwickelte Maschinen, die den Teig kneteten und portionierten, Fließbänder, auf denen er rasch in den Ruheraum gebracht und, nach kurzem Verbleib, von dort automatisch in den Ofen geschoben wurde. Auch für die Verpackung, ja selbst das Schneiden war nun eine Maschine zuständig. Doch schon nach kürzester Zeit ging selbst das den Lebensmittelherstellern zu langsam. Sie machten sich Neuheiten zunutze, die das Gären des Teigs beschleunigten. Bald kam in den Brotfabriken nur noch künstliche Hefe zum Einsatz, Backpulver oder andere namenlose Treibmittel. Dann ging es dem Weizen an den Kragen. Wie könnte man hier Wachstum und Reife beeinflussen? Wie könnte man dort die Verarbeitung beschleunigen und die Ausgaben senken? Im Ergebnis wurde zunehmend Brot zum Verkauf angeboten, das als solches kaum mehr zu erkennen war. Wir erinnern uns alle an die Kritik an einem Discountmarkt, die unlängst aufbrandete, weil dort Brötchen zum Verkauf angeboten wurden, die innerhalb von drei Minuten fertig gebacken aus der Maschine plumpsten. Mit der Herstellung von nahrhaften Lebensmitteln hat das wirklich nichts zu tun. Entsprechende Unverträglichkeiten wie Allergien gegen Gluten sind heutzutage fast selbstverständlich geworden. Und das bei Brot, einem

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