Von jetzt auf gleich
können, dass Ungeduld in ihrer Stimme mitschwang.
»Die Symptome einer Gehirnerschütterung dauern normalerweise zwei bis fünf Tage an.«
Zwei bis fünf Tage! Nein, nein, nein, lieber Herr Doktor! Das ging für mich auf gar keinen Fall. Ich brauchte Zeit. Ich wollte das Beste aus dieser Situation herausholen. Ich hatte noch nicht einmal richtig angefangen zu vergessen.
»Allerdings, je schwerer die Gehirnerschütterung, umso länger können diese Symptome anhalten. In Fällen von schweren Schädel-Hirn-Traumata und Gehirnerschütterungen kann es bis zu sechs Monaten dauern.«
Als ich das hörte, konnte ich mich nur schwer beherrschen, vor Freude nicht auf meinem Krankenhausbett auf und ab zu hüpfen. Ich hatte gerade für sechs Monate grünes Licht bekommen. Ich strahlte. Ich grinste bis über beide Ohren, und meine Mom sah zu mir herüber.
»Seltsam«, beobachtete der Arzt. »Sehen Sie, wie begeistert sie über diese Nachricht zu sein scheint. Ganz klar ein Symptom für euphorische Wahnvorstellung.« Ich riss mich augenblicklich zusammen. Wer wäre bei klarem Verstand so hoch erfreut über diese Worte? Ich änderte meinen Gesichtsausdruck schnell von Fröhlichkeit zu Sorge. Von verzückt zu betroffen.
Dann wieder zurück. Genau so. Es war ja echt.
Lichter … Kamera … Amnesie.
»Also, ich möchte das gar nicht wissen … Werde ich für sechs Monate … so sein?«, fragte ich.
»Sicher bekommen Sie Ihre Erinnerung viel früher zurück. Wir haben einige vielversprechende neue Behandlungsmöglichkeiten, mit denen ich bei Ihnen am liebsten sofort beginnen würde. Wir werden Sie für eine weitere Nacht hierbehalten und Sie dann in die Reha-Abteilung überweisen.«
Ich heuchelte einen hoffnungsvollen Blick, obwohl mir natürlich völlig klar war, dass keine dieser Behandlungen bei mir anschlagen würde. Und dann kam eine Krankenschwester mit einem riesigen – und ich meine riesigen – Blumenstrauß herein.
»Eine Lieferung«, sang sie heiter, als sie mir die Blumen ans Bett stellte.
Meine Mom war unglaublich fasziniert.
»Von wem sind die?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Lass uns auf die Karte schauen.«
Als ich dabei war, die Karte zu öffnen, sicherte sich meine Mom nach allen Seiten ab. »Muss von Dirk sein. Was für ein Schatz.«
»Travis«, sagte ich und fragte mich, ob ich wirklich unter Amnesie litt. Ich schaute auf die Karte, um sicherzugehen, dass ich richtig gelesen hatte, und dann sogar auf die Rückseite, um zu sehen, ob mein Name darauf stand. »Kenne ich einen Travis?«
Die Krankenschwester kam mit einem weiteren Geschenk zurück. Diesmal war es eine gigantische Packung mit Schokolade.
»Das kam auch noch.«
»
Das
muss von Dirk sein«, sagte meine Mutter und war sich ganz sicher.
Ich öffnete die Karte. »Die ist auch von Travis.« Ich las laut vor.
»›Ich weiß nicht, was du magst … ich wollte nur wissen, wie es dir geht. Ich fühle mich schrecklich wegen dem, was passiert ist. Ich hoffe, du bist okay. Travis.‹«
»Wer ist Travis?«, fragte meine Mom.
»Meinst du, er könnte der Typ aus dem Auto sein?«, überlegte ich.
Meine Mom klaute mir die Karte. »Lass mich sehen.« Sie schaute darauf und las es sich bestimmt fünf Mal durch. »Der hat Nerven, versucht sich so an einem Gerichtsverfahren vorbeizuschleichen.« Sie starrte auf die Karte. »Tss, keine Chance. Wir werden ihn für alles bluten lassen.«
***
Es war fast unmöglich, im Krankenhausbett einzuschlafen, und immer wenn ich gerade eingeschlafen war, kam eine Krankenschwester herein und weckte mich wieder, um einen neurologischen Test vorzunehmen. Sie kontrollierten die Größe meiner Pupillen und stellten mir wahllos Fragen.
»Wer ist der Präsident?«, fragten sie mich. »Wissen Sie, welche Tageszeit jetzt ist?« Sie wollten nicht die genaue Zeit von mir wissen, sie wollten nur wissen, ob ich zwischen Tag und Nacht unterscheiden konnte.
Ich hing an einem Mmannitol- IV -Tropf, damit mögliche Schwellungen in meinem Kopf zurückgingen. Wenn sie hereinkamen und mich weckten, blieben sie manchmal ein bisschen länger, um den Tropf auszuwechseln. Das passierte ungefähr vier- bis fünfmal die Nacht. Es war anstrengend. Und noch anstrengender, wenn verschiedene Schwestern kamen, die meinten, mir jeden einzelnen Schritt von dem, was sie da taten, erklären zu müssen.
»Das ist Dehydrationstherapie, um den intrakranialen Druck durch osmotische Diurese zu reduzieren«, erklärte die Krankenschwester.
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