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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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»Klingt kompliziert, aber es ist im Grunde genommen diuretisch für Ihr Gehirn.«
    Sie haben mir das schon mehrere Male erklärt – das erste Mal, als meine Mom im Raum war, und die Erklärung befriedigte meine Mom auf seltsame Weise. Diuretisch war ein Terminus, den sie kannte und liebte. Sie muss geglaubt haben, es bedeutete, dass ich abnehmen würde. Nur meine Mutter kam auf die Idee, einen Krankenhausaufenthalt als günstige Gelegenheit für Diät anzusehen.

11. Körbchengröße C, verdammt!
    Am nächsten Morgen wurde ich auf die Rehastation verlegt. Ich wurde einem neuen Arzt übergeben und ungefähr viertausend neurologischen Tests unterzogen, die ich nicht bestehen, bei denen ich aber auch nicht völlig versagen wollte. Es war nicht ganz einfach herauszufinden, welche Antworten auf eine vorübergehende, sechsmonatige Amnesie schließen, den Patienten aber funktionsfähig genug erscheinen ließen, dass er keine Gefahr für sich selbst oder andere darstellte – und ihn nicht etwa in eine geschlossene Abteilung mit ständiger Beobachtung brachten.
    An dem Rorschach-Test hatte ich einen Riesenspaß. So was wollte ich immer schon mal machen, aber ich hatte nie wirklich die Gelegenheit dazu. Es gab zehn Tintenkleckse, fünf davon waren schwarz und weiß, drei schwarz und rot und zwei bunt. Ich sollte sagen, was ich in jedem von ihnen sah, und – so abgelenkt ich durch diese ganzen Wie-tief-ist-Ihre-Vergesslichkeit-Übungen auch war – ich hatte große Lust darauf. Skurrile Antworten konnten auf Hirnschäden und neurologische Pathologie hindeuten, aber sie konnten auch ein Hinweis auf Kreativität und Launenhaftigkeit sein.
    Als der Arzt den ersten Klecks hochhielt, sagte ich, ich sehe einen Schmetterling. Es ähnelte einem Schmetterling, und ich wette, dass 80 Prozent der Leute, die das sahen, Schmetterling antworteten. Der Zweite sah aus wie ein Klecks, also sagte ich, es erinnert mich an einen frühen Picasso. Ich sagte, der Nächste sieht aus wie Florida.
    Als er den ersten schwarz-roten hochhielt, sagte ich, es gleicht einem Gnom und änderte dann blitzschnell meine Meinung. »Arnold Schwarzenegger!«, rief ich.
    Es ging weiter mit einem Zeichentest, der mein visuelles Gedächtnis messen sollte. Sie hielten eine Zeichnung zehn Sekunden lang hoch, danach sollte ich nachzeichnen, was ich gesehen hatte. Es waren überwiegend einfache geometrische Formen, aber ich malte einen Baum und einen Regenbogen, als die Figuren mich zu langweilen begannen.
    Als der Doktor die neuen »Behandlungsmöglichkeiten« erwähnte, die sie ausprobieren wollten, hatte ich nicht die geringste Ahnung, auf was ich mich da einlassen würde. Ich fand das dann aber ziemlich schnell heraus, als ich in einen Raum im achten Stock kam, in den sie mich geschickt hatten. Dort fand ich mich Auge in Auge mit einer merkwürdigen Auswahl an geschmückten Individuen – ganz klar Patienten – und einer vorzeitig ergrauten, langhaarigen
Grateful-Dead
-Anhängerin mit dem Namen Dr. Debra wieder. Sie hatte eine Brille an einer Kette um ihren Hals hängen, trug eine Batikbluse und einen bäuerlichen Rock, der bis zum Boden ging. Sie stellte sich vor uns auf und zeigte auf ihren Namen, der an der Tafel stand.
    »Ich bin Dr. Debra. Willkommen bei der Tanztherapie.«
    Ich schaute mich im Raum um. Hatte ich mich dafür angemeldet? Doch dann tauchte der Gedanke wieder auf, dass andere Menschen möglicherweise auch Amnesie vortäuschten. Was, wenn ich recht hatte? Was, wenn niemand von den Leuten hier Amnesie hatte und es einen heimlichen Verein von Leuten gab, die dasselbe taten wie ich? Waren sie alle eingeweiht? Wie konnte ich ihnen klarmachen, dass ich auch dazugehörte? Wussten sie es schon, weil es so etwas wie Amnesie in ihren Augen gar nicht gab? Waren wir ein Club?
    Ich suchte die Augen jeder einzelnen Person im Raum ab. Ich wollte bloß ein Zeichen. Irgendetwas. Aber niemand gab mir auch nur den kleinsten Hinweis. Gehörte Dr. Debra auch dazu? Nein, das konnte nicht sein. Sie muss wirklich geglaubt haben, dass ihr rückständisches Outfit die Patienten erfreuen würde – immerhin, die Chancen standen gut, dass sie nicht die einzige Person im Raum war, die in den Siebzigern stehen geblieben war. »Lassen Sie uns alle einen Partner aussuchen, oder sagen Sie es mir, wenn Sie keinen finden.«
    Die Leute fingen an, Pärchen zu bilden. Ein Mann lächelte mich schüchtern an. Er war oben kahl und trug einen Wollpulli, der aussah, als hätte

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