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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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Hablieblieb, und ich hatte keine Ahnung, wo die beiden waren. Ich wusste nicht einmal, ob sie noch lebten.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dagesessen habe. Ich weiß nur, dass ich nicht geweint habe. Auch nicht geflennt oder geheult. Ich betone das so, weil es an anderer Stelle bereits einmal falsch erzählt wurde. Ich habe nicht geweint. Ich hatte höchstens etwas Sand im Auge.

Der Birkenteich

    Als ich mich etwas beruhigt hatte, stand ich auf und taumelte zurück zum U-Boot. Mir war schwindelig und mein Gesicht glühte wie eine 100-Watt-Birne. Hinter meiner Stirn bahnte sich eine verschüttete Gruppe von Minenarbeitern mit Hammer und Meißel ihren Weg nach draußen. Ich schaffte es kaum, ins Wrack zu klettern. Kraftlos rutschte ich den Kabinenboden hinunter und prallte gegen die Vorderwand. Ich merkte es kaum. Ich tastete nach den Vorräten, fand sie und trank ohne abzusetzen eine Flasche Brause aus. Anschließend aß ich zweieinhalb Tüten Popcorn. Danach fühlte mich etwas besser, nur die Minenarbeiter wollten sich einfach nicht mit ihrem Schicksal abfinden und hämmerten weiter gegen die Innenseite meiner Stirn. Als ich das Wrack verließ, nahm ich die letzte Brauseflasche mit. Das Popcorn ließ ich zurück. Ich würde sowieso nicht lange genug überleben, um zu verhungern. Ich zog mein T-Shirt aus, wickelte es mir um den Kopf und sah in die Richtung, aus der wir mit dem U-Boot gekommen waren. Dann machte ich mich auf den Weg.
    Die Sonne schob sich zügig ihre Bahn hinauf, bis sie den höchsten Punkt erreicht hatte und dort zum Stehen kam. Es war so heiß, dass mein Schatten sich unter meine Schuhe verkroch. Mit gesenktem Kopf trottete ich von Sanddüne zu Sanddüne und versuchte, an nichts zu denken. Irgendwann stellte ich fest, dass meine Hände leer waren. Die Flasche war verschwunden. Verwundert drehte ich mich um. Hinter mir war nur die Wüste. Ich trottete weiter. Was blieb mir anderes übrig? Ich würde weder die Brause noch das Wrack jemals wiederfinden. Die Stunden zerflossen wie Kaugummi unter einem Brennglas. Die Sonne wanderte meinen Nacken hinunter. Meine Beine wurden schwer. Ich schloss die Augen. Ich war müde, so unsagbar müde. Ich wollte nur noch schlafen. Mich einfach in den Sand fallen lassen und einschlafen. Ich war bereit aufzugeben, als ich das Glitzern in der Ferne sah. Ich weiß, was eine Fata Morgana ist, aber das Glitzern war echt, keine optische Täuschung. Ich wischte mir mit dem T-Shirt übers Gesicht und kniff meine Augen zusammen. Es war … Wasser! Ein kleiner See, auf dessen Oberfläche die Sonnenstrahlen wie tausend Diamanten funkelten! Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und lief darauf zu. Ich stolperte, fiel in den Sand, stand wieder auf und lief weiter. Ich sah nur noch das Wasser. Alles andere verschwand in einer Welt aus Durst. Die letzten Meter robbte ich. Dann platschte mein Kopf ins kühle Nass. Ich trank und trank und trank, bis mein Bauch gurgelnde Geräusche von sich gab und mir schlecht wurde. Trotzdem war es wunderbar. Auch den Minenarbeitern schien die Abkühlung zu gefallen.
    Als ich wieder etwas zu Kräften gekommen war, setzte ich mich auf und sah mich um. Die Wasserstelle war etwas kleiner als der Steinbrücker Teich und ebenfalls nicht besonders tief. Im Gegensatz zum Steinbrücker Teich war das Wasser jedoch kristallklar. Ich beugte mich vor und betrachtete mein Spiegelbild auf der Oberfläche. Mein Gesicht war krebsrot, was einen erschreckenden Kontrast zu den tiefen, schwarzen Augenringen bildete. Vorsichtig drückte ich mit dem Zeigefinger in meine Wange. Es fühlte sich an wie ein Lötkolben. Ich wartete, doch der weiße Punkt auf meiner Haut verschwand einfach nicht. Dafür begann mein Gesicht sich zu verändern. Der Sonnenbrand verschwand, genauso wie die Schatten unter meinen Augen. Mein Kopf schrumpfte, vielleicht wuchsen auch nur meine Augen, das war schwer zu beurteilen. Meine Haare wurden kürzer und voller, und ich bekam Sommersprossen. Irgendwann endete die Verwandlung, und ich starrte in das Gesicht eines kleinen Jungen.
    „Was … was ist das?“, fragte ich verstört.
    „Was … was ist das?“, fragte auch mein seltsames Spiegelbild. „So werde ich aussehen, wenn ich alt bin?“ Es hörte sich reichlich schockiert an. „Warum bin ich denn so rot im Gesicht?“
    „Hallo du!“, sagte ich. „Du da im Wasser! Wer bist du?“
    Der Junge sah mich erschrocken an. „Mein Spiegelbild redet mit mir!“
    „Wer bist du?“, fragte ich noch

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