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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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einmal.
    „Dodo“, sagte der Junge. „Ich heiße Dodo.“
    „Ich … ich heiße auch Dodo …“
    Der Junge nickte. „Na, klar. Weil ich du bin.“
    „Was soll das bedeuten?“
    „Ich bin du“, sagte der Junge wieder. „Du bist meine Zukunft. So wie du aussiehst, werde ich einmal aussehen, wenn ich alt bin.“
    „Ich bin nicht alt!“, protestierte ich. „Ich bin gerade mal –“
    „Hey, Lilli!“, unterbrach mich der Junge und drehte sich um. „Es funktioniert! Das Birkenwasser hat mir nicht nur alles über meine Eltern erzählt, es hat mir auch meine Zukunft gezeigt. Genau so wie der Katzenbaum gesagt hat.“
    „Birkenwasser?“, fragte ich, weil mir das Wort irgendwie vertraut vorkam.
    „Birkenwasser?“, fragte auch jemand hinter mir.
    Erschrocken wirbelte ich herum. Im Gegenlicht der tief stehenden Sonne erkannte ich die Silhouette eines riesigen Kamels mit einem Reiter drauf.
    „Du hast Birkenwasser getrunken, mein Freund?“, fragte der Reiter. Seine Stimme war tief und warm. Er rollte das R wie ein Araber. Das Kamel schnaubte.
    „Ich … äh …“, sagte ich und zeigte hinter mich: „Sie … äh … Sie meinen diesen Teich da?“
    Mit einem eleganten Sprung schwang der Reiter sich hinunter in den Sand. Er trug ein schwarzes Gewand, von dessen Gürtel ein großer Säbel herabbaumelte. Sein Kopf war mit einem karierten Schal umwickelt. Dunkle Augen funkelten zwischen den Streifen hervor.
    „Hast du die Birken nicht gesehen?“, fragte der Reiter.
    Ich schaute zum Teich zurück. Ich hatte sie tatsächlich nicht gesehen: Vier der schlanken, weißen Bäume reihten sich direkt am Ufer auf.
    „Waren … waren die eben gerade auch schon da?“, fragte ich sicherheitshalber.
    „Die Birken stehen hier seit dem Anbeginn Zeit.“
    Der Reiter trat einen Schritt auf mich zu.
    „War auch nur ein Scherz“, sagte ich schnell und lächelte schief. „Sehr schöne Bäume“, fügte ich hinzu, weil es nie verkehrt war, einem bewaffneten Unbekannten, den man inmitten einer Wüste antraf, Komplimente zu machen.
    „Kam es dir nicht komisch vor, dass die Bäume Wasser spenden statt es zu trinken?“, fragte der Reiter.
    „Wasser spenden?“, äffte ich nach und sah dabei bestimmt nicht besonders clever aus.
    „Schau dir die Bäume doch einmal genauer an. Siehst du das Wasser, was da aus der Rinde fließt? Das ist Birkenwasser, mein Freund.“
    „Und das ist giftig?“
    „Nein, giftig ist es nicht. Aber seine Wirkung ist sehr stark. Die Schamanen waschen ihre Hände in Birkenwasser. Nur die Hände. Niemals würden sie auch nur einen Schluck davon trinken.“
    „Und wie genau ist die Wirkung?“ Mein Bauch gurgelte beunruhigt.
    „In ein paar Minuten wirst du es spüren.“ Der Reiter begann mit langsamen Bewegungen, das Tuch vor seinem Gesicht abzuwickeln. Seine Haut war dunkel, die Züge waren fein geschnitten. Ein dichter, kurzer Bart bedeckte die Wangen.
    „Können Sie es mir nicht einfach erzählen?“, wollte ich fragen, doch alles, was ich hervorbrachte, war ein tiefes Blubbern. Aus dem Mund des Reiters lugte eine kleine, gelbe Schlange hervor und zischte: „Dodo, Dodo!“ Die Sonne wurde immer heller. Ein Kanarienvogel landete auf meiner Schulter. Dann war alles nur noch weiß.

Die Prüfung des Königs

    Ich erwachte von meinen eigenen Schreien.
    „Beruhige dich, mein Freund. Beruhig dich.“ Der Reiter hockte neben mir auf dem sandigen Boden. „Du hast nur geträumt.“
    Die Welt hatte ihre Farbe wiedererlangt. Ich lag auf einem Bett aus schillernd bunten Kissen. Über mir spannte sich eine schwere Plane. Eine Öllampe warf lange Schatten in das Zeltinnere.
    „Wo bin ich?“, fragte ich.
    „In Sicherheit.“
    Ich wollte aufstehen, doch der Reiter hielt mich behutsam zurück. „Langsam, mein Freund, ganz langsam. Du hast eine lange Reise hinter dir.“
    Hinter ihm saß ein weiterer Mann. Er war groß und massig und trug ebenfalls ein schwarzes Gewand. Sein Gesicht war ein dunkler Fleck, aus dem eine aufdringlich große Nase hervorstach. Der Mann beugte sich vor und flüsterte dem Reiter etwas ins Ohr.
    „Das werden wir bald sehen“, erwiderte der Reiter.
    Der andere Mann stellte eine weitere Frage. Dabei wirbelte seine Nase wie ein Taktstock hin und her.
    „Gleich, Bashshar“, sagte der Reiter. „Gib ihm noch ein paar Minuten.“
    Bashshar stand auf und ging wortlos hinaus. Als er den Vorhang beiseite schob, war für einen Moment der wolkenlose Nachthimmel zu sehen.
    „Wie lange

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