Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
Vom Netzwerk:
habe ich geschlafen?“, fragte ich.
    „Viele Stunden“, antwortete der Reiter.
    „Kommt mir vor, als wären es Tage gewesen.“
    „Wie fühlst du dich?“
    Ich horchte in mich hinein. „Gut. Sehr gut.“ Es entsprach der Wahrheit. Ich fühlte mich blendend. „Mir kommt es vor, als könnte ich endlich wieder klar sehen. So als ob der Schleier vor meinen Augen endlich verschwunden wäre.“
    Der Reiter nickte. „Die Wirkung des Birkenwassers.“
    Ich horchte weiter und erschrak. „Ich … ich kann …“, stotterte ich und verstummte gleich wieder, bis ich das gesamte Ausmaß der Veränderung erkannt hatte. „Ich kann mich wieder erinnern!“, stieß ich schließlich hervor. „An Lichtwiese, an Elefanto, an Elenor! An einfach alles!“
    Wieder nickte der Reiter. „Schon ein kleiner Schluck Birkenwasser genügt, um all deine Gehirnzellen zu regenerieren. Auch die bereits abgestorbenen.“
    „Das ist gut“, sagte ich und nickte ebenfalls. „Sehr gut. Großartig!“
    Ich nickte noch einige Zeit weiter, während ich meine neu gewonnenen Erinnerungen erkundete. Der Reiter beobachtete mich aufmerksam dabei.
    „Ich heiße Agerian.“
    Er streckte mir seine Hand entgegen. Sie war warm und erstaunlich weich.
    „Ich bin Dodo.“
    Ein Lächeln breitete sich auf Agerians Lippen aus. „Wie Dodofonie?“
    „Das höre ich andauernd“, entgegnete ich. „Aber ich weiß noch immer nicht, was dieses Wort überhaupt bedeutet.“
    „Es ist der Name einer Oper. Einer sehr schönen sogar.“
    Ich überlegte. „Sag mal, Agerian, du weißt nicht zufällig, wie man nach Dunkelstadt kommt?“
    Etwas in seinem Gesicht veränderte sich. Seine Augen wurden schmaler. So als ziele er auf etwas weit Entferntes. „Was willst du dort?“
    „Ich muss jemanden befreien. Elenor. Sie wird in Dunkelstadt gefangengehalten.“
    „Warst du schon einmal dort?“
    „Ja, aber nur kurz. Wir haben eine Sightseeing-Tour gemacht. Kann ich dir nicht empfehlen, ist sehr eigenartig.“
    Agerians Gesichtszüge entspannten sich. „Ich werde dir den Weg zeigen. Später.“ Er stand auf.
    Ich sah zu ihm hinauf. „Wohin willst du?“
    Wie auf ein stilles Kommando hin öffnete sich der Vorhang und eine spitze Nase schob sich ins Zelt.
    „Agerian, es ist soweit“, sagte die Stimme, die anscheinend zu der Nase gehörte, welche im Gesicht eines Mannes namens Bashshar zu ihrer eindrucksvollen Länge herangewachsen war.
    „Komm, Dodo“, sagte Agerian. „Es ist Zeit zu gehen.“
    Wir traten hinaus in die Nacht und gingen zwischen den Zelten hindurch, von denen manche die Größe eines Ein-Familien-Hauses hatten. Es war kalt. Ich schlang die Arme um mein dünnes T-Shirt und zitterte. Beduinen in schwarzen Gewändern unterbrachen ihre Gespräche und sahen uns nach. Etwas abseits standen einige Ziegen dicht gedrängt hinter einem Gatter. Ihr Fell leuchtete im Mondschein.
    „Der großherzige König Hatim erwartet uns“, wandte sich Bashshar zum ersten Mal an mich. Kleine Wolken stiegen aus seinem Mund auf.
    „Du hast sehr viel Birkenwasser getrunken“, sagte Agerian. „Unser ehrwürdiger König setzt große Hoffnung in dich.“
    „Und was genau soll ich tun?“, fragte ich.
    „Du hast die Ehre, König Hatim die Zukunft vorauszusagen.“
    „Aber ich … ich bin doch kein Hellseher.“
    „Es ist nicht ratsam, dem König eine Bitte abzuschlagen“, sagte Bashshar. „Du wärst nicht der Erste, der unserem herrlichen Sandgott Zaimzaki geopfert wird.“
    Ich glaubte, ein Lächeln im Schatten der riesigen Nase zu erkennen.
    Das Zelt, vor dem wir stehenblieben, hätte jedem Wanderzirkus ausreichend Platz geboten. Sogar eine Elefanten-Nummer wäre nicht ausgeschlossen gewesen.
    „Sprich nur, wenn du direkt angesprochen wirst“, sagte Agerian, bevor er den schweren Vorhang beiseite schob.
    Im Inneren des Zirkuszelts war es angenehm warm. Unzählige Neonlampen flackerten lilafarben von der Decke. An den Wänden hingen riesige Flachbildschirme und präsentierten Diashows von Wüstenlandschaften. Die Mitte des Raums wurde von einem roten Teppich bedeckt, auf dem sich ein beachtlicher Berg aus Kissen auftürmte, auf dessen Gipfel wiederum ein recht kleiner Mann mit einem jedoch sehr beeindruckenden Vollbart saß. Irgendwo im Dunkeln brummten Heizlüfter.
    Der Vollbart nickte in unsere Richtung, und Agerian flüsterte mir zu: „Komm!“
    Wir gingen bis zum Teppichrand.
    „Und jetzt verbeugen.“
    Wir verbeugten uns.
    „Oh, du großherziger König

Weitere Kostenlose Bücher