Von Liebe steht nichts im Vertrag
gebräunt von der Sonne. Wie er sie je für magersüchtig hatte halten können, war ihm jetzt ein Rätsel.
In vielerlei Hinsicht hatte er sie falsch eingeschätzt, musste er zugeben. Sie war nicht so, wie er erwartet hatte. Sondern ganz anders.
Zumindest könnte es so sein.
Er dachte daran, wie widerstrebend sie sich im Kindergeschäft gegeben hatte. So schnell wie möglich hatte sie wieder gehen wollen.
Und trotzdem hatte sie sich in seinen Armen so warm, nachgiebig, weiblich angefühlt, ihr Duft wie eine Droge für ihn … All das passte doch nicht zusammen.
Er mochte es überhaupt nicht, wenn die Dinge keinen Sinn ergaben. Auch jetzt fragte er sich, was er überhaupt tat.
Gedankenverloren parkte er den Wagen. „Da wären wir. Willkommen am Coogee Beach.“ Gepflegte Grünflächen erstreckten sich auf der einen Seite, auf der anderen lag der unendliche Pazifische Ozean. „Hättest du Lust auf einen Spaziergang?“
Sie nickte, froh über diesen seltenen Ausflug, trotz der verwirrenden, widersprüchlichen Gedanken, die in ihrem Kopf herumwirbelten.
Gemeinsam spazierten sie durch den Park am Strand, kauften sich ein Eis und gingen dann langsam auf dem Klippenweg weiter. Bei einem Aussichtspunkt blieben sie stehen und bestaunten die Kreuzfahrtschiffe und die riesigen Containerschiffe weit draußen auf dem Meer.
„Meine Mutter ist oft mit mir hier gewesen, als ich noch ein Kind war.“ Sein Blick ging zum Horizont. Angie merkte, wie angespannt er war. „ Nonna und poppa , meine Großeltern, waren auch dabei, und wir haben ein Picknick am Strand gemacht. Zuerst bin ich nur im Meer geschwommen. Aber als ich älter war, habe ich Surfen gelernt. Nach dem Picknick sind wir dann auf den Klippen spazieren gegangen und haben überlegt, dass es schön wäre, so nah am Meer zu wohnen.“
Und jetzt lebt er dort, dachte Angie und schaute auf die Felsen und den tiefblauen Ozean. Wie unterschiedlich ihrer beider Leben doch war.
„Es war entsetzlich für mich, als meine Großeltern starben“, fuhr er fort. Sie sah den Schmerz auf seinem Gesicht und empfand tiefes Mitleid. „Wir hatten zwar nicht viel, aber die Familie war immer füreinander da. Bis der Bus, in dem sie saßen, mit einem Zug zusammengeprallt ist. Ich habe sie so sehr geliebt. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass ich sie hätte retten können. Wenn sie sich ein Auto hätten leisten können …“
Schweigend hörte sie zu, voller Ehrfurcht vor der Macht des Schmerzes, der in seinen Worten lag. Sie musste dagegen ankämpfen, die Hand auszustrecken und ihn in seiner Qual zu trösten.
„Eine Weile gab es dann nur meine Mutter und mich. Wir waren füreinander da. Bis ich erneut lernen musste, dass Liebe allein nicht genügt. Sondern dass man Geld braucht, um diejenigen zu beschützen und zu retten, die man liebt.“ Mit dunklem, leerem Blick sah er sie an.
„Deine Mutter ist an Krebs gestorben“, sagte er. „Meine auch. Ein Hirntumor hat sie das Leben gekostet. Weil wir nicht genug Geld für eine Privatbehandlung hatten, mussten wir Monate warten, bis sie endlich einen Termin bei einem Spezialisten bekam. Da war es allerdings schon zu spät. Die Ärzte konnten nichts mehr tun. Bei Gott, damals ist mir bewusst geworden, dass man nur mit Geld bekommt, was man braucht.“
Seine Stimme verlor sich, fortgetragen vom Wind und den Wellen. Sie glaubte schon, er werde nicht mehr weiterreden, doch dann fuhr er mit rauer, belegter Stimme fort.
„Carla habe ich allerdings nicht retten können. Trotz des Geldes, trotz all der Ärzte, der Privatklinik. Nichts hat Carla helfen können.“ Scharf sog er die Luft ein. „Als du dann kamst, schien mir, als würde mich das Schicksal verhöhnen. Vielleicht, um mich daran zu erinnern, wie machtlos ich eigentlich bin? Deshalb habe ich dich gehasst für das, was du darstellst. Es war unerträglich für mich, dass du einfach auftauchst und behauptest, mein Kind in dir zu tragen.“
Wellen schlugen gegen die Felsen, und Möwen kreischten. Der Verstand sagte Angie, dass die Welt sich weiterdrehte. Und trotzdem konnte sie kaum atmen, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war.
„Aber ich hatte unrecht“, sagte er mit leiser Stimme. „Du bist ganz anders als sie. Ich dachte mir, du solltest das wissen. Ich hatte unrecht, und es tut mir leid.“
Dominic ließ den Kopf hängen, ehe er sie mit ausdrucksloser Miene ansah. „Lass uns nach Hause fahren.“
Er sah so erschöpft aus, wie geschlagen, dass sie nicht wagte, ihn zu
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