Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost
Sie erledigen irgendeine Arbeit. Ich weiß nicht, was genau. Sie sammeln oder hacken irgendetwas. Die schwarzen Mädchen lachen. Carrie lacht nicht.
Auch Carries Haare sind schwarz.
Ich wende mich wieder Terese zu. Ich sehe ihr in die blauen Augen mit dem goldenen Ring um die Pupillen. Ihre Tochter hat den gleichen goldenen Ring. Ich habe ihn auf dem Foto gesehen. Der selbstbewusste Gang, der goldene Ring. Dieses unverkennbare, genetische Echo.
Was, frage ich mich, hatte sie ihrer Tochter noch vererbt?
» Bitte versteh, warum ich verschwinden musste«, sagt Terese. » Sie ist meine Tochter.«
» Ich weiß.«
» Ich musste sie retten.«
Ich nicke. » Sie hat dir schon beim ersten Anruf ihre Telefonnummer gegeben?«
» Ja.«
» Das hättest du mir sagen können.«
» Ich weiß. Aber ich habe Berleands Worte gehört. Ich bin die Einzige, der sie wichtiger ist als Tausende anderer Leben.«
Die Erwähnung Berleands versetzt mir einen heftigen Stich. Ich überlege, was ich als Nächstes sagen soll. Ich beschatte die Augen mit der Hand und sehe wieder zu Carrie hinauf. » Ist dir klar, was für ein Leben sie geführt hat?«
Terese sieht mich nicht an und blinzelt nicht. » Sie wurde von Terroristen erzogen.«
» Es ist noch viel schlimmer. Mohammad Matar war Assistenzarzt im Columbia-Presbyterian-Krankenhaus genau zu der Zeit, als die In-vitro-Fertilisation und die Lagerung von Embryonen so richtig in Gang kam. Er sah darin eine Gelegenheit für einen vernichtenden Schlag– Geduld und das Schwert. › Save the Angels‹ war eine radikale Terrorgruppe, die sich als rechtskonservative Christen getarnt hat. Matar hat sich dann durch Erpressung und Lügen Embryos verschafft. Er hat sie nicht an unfruchtbare Paare weitergegeben. Er hat muslimische Frauen, die seine Ziele uneingeschränkt teilten, als Leihmütter verwendet– die Embryos dort gewissermaßen zwischengelagert, bis Babys zur Welt kamen. Dann haben er und seine Anhänger diese Nachkommen vom Tag ihrer Geburt zu Terroristen erzogen. Sie haben nichts anderes gelernt. Carrie durfte sich mit niemandem anfreunden. Sie wurde nie geliebt, nicht einmal als Kleinkind. Sie hat nie Zärtlichkeit zu spüren bekommen. Niemand hat sie je in den Arm genommen. Niemand hat sie getröstet, wenn sie im Schlaf geweint hat. Tag für Tag wurde ihr und den anderen eingeimpft, dass sie Ungläubige töten mussten. Das war alles. Mehr haben sie nicht gelernt. Sie wurden dazu erzogen, die ultimative Waffe im heiligen Krieg zu sein. Das musst du dir mal vorstellen. Matar hat Embryos von Eltern ausgewählt, die blond und blauäugig waren. Diese Waffen konnten überall eingesetzt werden. Wer hätte sie schon verdächtigt?«
Ich warte auf Tereses Reaktion, ein Zucken. Ich sehe nichts. » Habt ihr alle gefasst?«
» Ich nicht. Ich war an der Zerschlagung der größten Gruppe in Connecticut beteiligt. Jones hat dort in dem Haus noch weitere Informationen gefunden– außerdem nehme ich mal an, dass ein paar von den überlebenden Terroristen verhört wurden.« Ich will nicht darüber nachdenken, wie diese Verhöre vonstattengingen– oder vielleicht will ich das doch, ich weiß es nicht. » Green Death hatte auch noch ein Lager in der Nähe von Paris. Es wurde schon ein paar Stunden nach dem in Connecticut ausgehoben. Außerdem haben der Mossad und die Israelis ein größeres Trainingsgelände an der Grenze zwischen Syrien und dem Iran bombardiert.«
» Was ist mit den Kindern passiert?«
» Einige sind umgekommen, andere in Haft.«
Sie geht den Berg wieder hinunter. » Und du meinst, weil Carrie nie zuvor geliebt wurde, soll sie jetzt auch nicht geliebt werden?«
» Das habe ich nicht gesagt.«
» Klang aber so.«
» Ich sag nur, wie es gewesen ist.«
» Viele deiner Freunde haben doch Kinder, oder?«, fragt sie.
» Klar.«
» Was erzählen die dir als Erstes? Dass ihre Kinder von Geburt an gewisse Eigenschaften haben. Die lassen sich nicht verändern. Veranlagung ist stärker als Erziehung. Die Eltern können Führung und Anleitung bieten und so versuchen, dafür zu sorgen, dass die Kinder nicht vom rechten Weg abkommen, aber im Endeffekt sind sie doch nur bessere Betreuer. Manche Kinder werden einfach lieb, ganz egal, was passiert. Andere werden psychotisch. Du hast bestimmt auch Freunde mit mehreren Kindern, die sie alle auf die gleiche Art erzogen haben. Trotzdem ist eins dauernd unterwegs, eins ganz ruhig, eins traurig und eins großmütig. Eltern erkennen schnell, dass
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