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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Tenn
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nimmt den Jungen die Muttermilch, er reißt ihnen im Zuge wohlüberlegter wirtschaftlicher Entwicklung das Fell vom Leibe und das Fleisch von den Knochen und richtet ein Tier dazu ab, seine Artgenossen zur Schlachtbank zu führen. Er raubt dem Tier seine sinngemäße Gestalt, daß es zu seiner eigenen Karikatur wird – das geschah mit den Hunden. Er führt den Sinn der Fortpflanzung ad absurdum und zwingt das Tier zur grotesken unablässigen Produktion unfruchtbarer Eier – das geschah mit den Hühnern. Er verwandelt seinen elementaren Anspruch auf Bewegung in Fronarbeit oder Sport – das geschah mit Stieren und Pferden.
    Lach nicht, Eric. All diese Dinge tust du Jahrtausende hindurch deinen Mitgeschöpfen und Brüdern an, während du die Frage von Gut und Böse, Recht und Unrecht, Anständigkeit und Grausamkeit zu ergründen suchst, du tust all diese Dinge, genau wie dein Vater und dessen Vater vor ihm sie getan hat. Und dann willst du mir weismachen, daß du trotz aller Rechtfertigungsversuche – sei es durch Technik, Philosophie oder Politik – nicht unter dem allgegenwärtigen Schuldgefühl zusammenbrichst, wenn du frierend und nackt deinem eigenen Angesicht gegenüberstehst? Daß du nicht fühlst, du hast in dem Universum, in dem du lebst, eine entsetzliche Schuld auflaufen lassen, für die dir eines Tages die Rechnung präsentiert werden wird von einer anderen Gattung, die um einiges stärker und intelligenter ist als du und völlig anders? Und daß diese Gattung dir dasselbe tun wird, was du seit Beginn deines Lebens auf diesem Planeten den anderen angetan hast? Angenommen, jede deiner Handlungen war gerechtfertigt, solange du an der Macht warst, muß dann nicht doppelt und dreifach gerechtfertigt sein, was dir angetan wird, nachdem du die Macht verloren hast?«
    Rachel breitete die Arme weit aus, als sie geendet hatte, und atmete schwer. Erics Blick folgte der Richtung ihres gesenkten Kopfes. Er starrte in die von Menschen wimmelnden Käfige, die überall unter und neben ihnen wie Punkte im unendlichen Raum hingen.
     

 
21.
     
    Eric lernte die verschiedensten Dinge. Zum Beispiel lernte er die Liebe kennen. Und er lernte so manches über das Aaronvolk.
    Die Liebe fand er unaussprechlich süß. Sie begann mit der Lust und wurde dann um vieles komplizierter. Manches an der Liebe war absolut nicht zu ergründen.
    Er staunte, daß Rachel Estherstochter, neben der er nach wie vor kaum mehr als ein armseliger Ignorasmus war, sich mit jedem Tag williger seinen Entscheidungen beugte, nachdem sie sich einmal entschlossen hatte, sich ihm hinzugeben. Er staunte, mit welchem Vergnügen sie sich ihm unterordnete und wie sie alles, was er sagte oder tat, bewunderte. Dabei hatte er erst vor kurzem und zu seiner größten Verwunderung erfahren, daß die Höhlen, in denen er den Großteil seines Lebens verbracht hatte, nichts weiter als Luftblasen im Isoliermaterial waren, mit dem die Bestien ihre Behausungen gegen die kalten Schauer der Erde abdichteten.
    Ihr Körper entzückte ihn weit über die normalen Unterschiede hinaus, die er zwischen Mann und Frau immer bemerkt hatte. Er konnte sich nicht genug darüber wundern, wie klein ihre Fingernägel waren, um wieviel feiner die Beschaffenheit ihrer Haut, wie unwahrscheinlich leicht die Fülle ihres langen braunen Haares.
    »Die meisten Aaronleute haben die gleiche Haarfarbe wie du, nicht wahr?« fragte er, hielt ihr Haar in seiner rechten Hand und wand die langen Locken um seinen Unterarm.
    Rachel kuschelte sich an ihn. »Ja«, bestätigte sie. »Ich fürchte, bei uns herrscht eine gewisse Inzucht. Wir fangen nicht viele Frauen anderer Stämme, und unsere Männergesellschaft nimmt kaum jemals einen fremden Krieger auf.«
    »Aber mich würden sie aufnehmen? Falls uns der Rückweg zu deinen Leuten glücken sollte, meine ich.«
    »Bestimmt, mein Herz. Das müssen sie. Ich habe viel zuviel gelernt, als daß mein Volk mich verlieren möchte. Und ohne dich kriegen sie mich nicht mehr. ›Ihr werdet meinen Eric anerkennen‹, werde ich ihnen sagen, ›und dafür sorgen, daß er sich glücklich und willkommen fühlt, oder ich werde so unglücklich sein, daß ich sofort alle meine Kenntnisse vergesse.‹ Das werde ich ihnen sagen, und damit sind wir alle Sorgen los. Besonders jetzt, angesichts ihrer Pläne wegen der Bestien und meines ungemein nützlichen Fachwissens.«
    »Könntest du mir nicht andeuten, worin diese Pläne bestehen?«
    Sie rollte von ihm weg und setzte sich

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