Von Menschen und Monstern
Eric ihn zum Schweigen. »Das will ich gar nicht hören«, sagte er. »Aber etwas anderes: Du hast gesagt, während der Kämpfe mußten sie zeitweise drei bis vier Leichen entfernen. Holten sie sie immer auf einmal aus dem Käfig?«
Der Läufer kniff die Augen zu und überlegte. »Ich glaube schon. Ja. Einmal am Tag erschien das grüne Seil und holte alle Toten gleichzeitig ab.«
»Und was sie am Leibe hatten oder welche Lanzen und Knüppel man ihnen auf die Brust gelegt hatte – kam das alles mit?«
»Klar. Das hast du doch selbst gesehen. Erinnerst du dich an den Mann vom Aaronvolk, der am Tag unserer Ankunft starb? Ihm hatten wir das Gesicht mit seinem Rock verhüllt, und die Bestien haben nichts daran geändert. So wie er war, haben sie ihn in das schwarze Loch geworfen. Das tun sie mit jedem, der im Käfig stirbt.«
»Vor dem Tod scheinen die Bestien Respekt zu haben«, meine Rachel sinnend. »Oder zumindest, wenn es sich um Menschen handelt. Wir interessieren sie nur in vivo, wie die Väter sagen würden. Aber warum ist dir das so wichtig, Eric? Wenn wir erst tot sind ...«
»Wenn wir erst tot sind, haben wir die beste Aussicht, am Leben zu bleiben«, sagte er. »Das ist kein Witz. Roy, möchtest du mit uns flüchten?«
Roy sah ihn verblüfft an, aber dann nickte er energisch. »Und ob! Auf mich kannst du zählen, und wenn dein Plan noch so gefährlich ist. Ich finde nämlich, ein ehrgeiziger junger Mann hat hier keine rechte Zukunft.«
»Mein Plan ist sogar höchst gefährlich. Er kann an tausend Dingen scheitern. Trotzdem ist er meiner Meinung nach der einzige Ausweg aus diesem Käfig. Na schön, beginnen wir!«
Unter seiner Anweisung machten sie sich ans Werk. Er trieb sie beide mit der gleichen störrischen Unerbittlichkeit an wie sich selbst. Und die Arbeit schritt rasch fort.
Nur einmal hob Rachel den Kopf und fragte ängstlich: »Aber setzt du nicht sehr viel als gegeben voraus, Eric?«
»Wenn ich mich geirrt habe, müssen wir sterben. Und wenn wir hierbleiben?«
Rachel senkte den Kopf, seufzte, und nahm ihre Arbeit wieder auf.
Die Vorbereitungen näherten sich ihrer Vollendung, und sie gaben jetzt acht, wann die Bestie täglich die Verpflegung brachte. Wenn Erics schwieriges Vorhaben gelingen sollte, mußten sie es unmittelbar vor dem Erscheinen der Bestie verwirklichen. Außerdem mußten sie sich eine Reserve an Nahrung und Wasser anlegen.
Rachel betrachtete ihren zerrissenen Mantel. Der Inhalt seiner Taschen war auf dem Boden verstreut wie Abfall. »Daß du meinen Protoplasmaneutralisator zerstörst, ist das einzige, was mich wirklich kränkt, mein Herz«, sagte sie unglücklich. »Wenn ich denke, wieviel Arbeit und Mühe in dem Ding stecken.«
»Glückt unsere Flucht, kannst du deinen Leuten berichten, daß sämtliche Berechnungen stimmen und sie können das Gerät jederzeit nachbauen«, sagte Eric ungerührt. »Vorderhand haben wir nichts anderes, aus dem wir einen widerstandsfähigen Haken herstellen können. Und den brauchen wir unbedingt.«
Der Läufer kam durch den Käfig und stellte sich zu Eric. »Ich habe nachgedacht, Eric. Du bindest den Haken besser an meine Hände. Ich bin mindestens so stark wie du, aber du bist der Klügere. Du wirst uns sagen, welcher Ausstieg der richtige ist. Ich verspreche dir, daß ich den Haken mit aller Kraft festhalten werde.«
Eric hatte den Stab des Neutralisators zu einem verwendbaren Haken zurechtgebogen. Jetzt lehnte er sich zurück und überlegte. »Schön, Roy. Du hast recht. Aber daß du ihn mir ja nicht losläßt!« Er legte das gerade Ende des Hakens in Roys Hand. Der Läufer umklammerte es fest. Dann band Eric den Haken an Roys Hände und wickelte zusätzliche Riemen um seine Arme und Schultern. Nun war Roy mit dem Haken so gut wie verwachsen.
Dann banden sie sich und ihre Ausrüstung an die Mantelreste. Zum letztenmal rückten sich die beiden Männer ihre Glühlampen auf der Stirn zurecht. Eric und der Läufer nahmen Rachel in die Mitte. Eric fesselte sie zuerst an Roys Gürtellinie und dann an seine. »Halte dich für alle Fälle an Roys Schultern fest, falls die Riemen reißen sollten. Ich halte mich an dir fest.«
Schließlich war er fertig. Die drei Menschen bildeten eine fest verschnürte Einheit, deren äußeres Ende Roy der Läufer war. Sie hörten die Bestie herannahen und ließen sich schwerfällig auf dem Boden nieder.
»Los, Freunde«, sagte Eric. »Stellt euch tot!«
22.
Der gewohnte Nahrungsabwurf blieb
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