Von Menschen und Monstern
ihm gegenüber. »Nein, Eric, bitte, frage mich nicht danach. Es ist ein Geheimnis, das mit der Zukunft meines Volkes zusammenhängt. Gehörst du erst zu uns, dann wirst du alles erfahren und daran beteiligt sein.«
Beschwichtigend hob Eric die Hand. »Schon gut«, sagte er lächelnd. »Ich entschuldige mich und verspreche, nie wieder zu fragen.« Er nahm an, daß sie in seine Arme zurückkehren würde, aber sie blieb nachdenklich abseits sitzen.
»Du hast von einem Rückweg zu meinem Volk gesprochen.« Sie blickte unverändert durch die durchsichtigen Käfigwände in die grelle Ferne. »Hast du dir überlegt, wie wir es tun könnten?«
»Flüchten?«
»Jawohl. Aus diesem Käfig flüchten.«
»Nein, aber ich habe so meine Ideen. Eine davon halte ich für gut. Aber sie bedarf gründlicher Überlegung.«
Ihr Blick wanderte zu ihm zurück. »Dann überlege, mein Herz«, sagte sie leise. »Und zwar bald. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Sie sahen einander schweigend an. Dann erhoben sie sich gleichzeitig, und Rachel schmiegte sich in seine Arme.
»Ich wollte nicht davon reden – ich dachte – ich war nicht sicher. Aber jetzt weiß ich es genau.«
»Du bist schwanger!«
Sie nickte, nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und gab ihm einen langen Kuß. »Paß auf, mein Herz«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Jeder Fluchtweg wird eine gewisse körperliche Leistung erfordern. Und die kleine Rachel wird schon bald nicht mehr so geschmeidig sein, wie sie es jetzt ist. Sie wird beim Klettern unbeholfen und beim Laufen schrecklich schwerfällig sein. Wenn wir also flüchten wollen, dann möglichst bald.«
Eric drückte sie fest an sich. »Diese verdammten Bestien!« fluchte er. »Ihr verfluchtes Labor! Ihre verfluchten Versuche! Mein Kind sollen sie nicht bekommen.«
»Es könnten ja auch mehrere sein«, erinnerte Rachel ihn. »Du bist zwar ein Einzelkind, aber das schließt einen richtigen Wurf nicht aus.«
»Damit wäre jede Flucht vereitelt«, sagte er nüchtern. »Du hast recht. Wir müssen noch vor deiner Niederkunft von hier fort. Je früher, desto besser.«
Sämtliche Fluchtpläne, die er mit Jonathan Danielson und Walter dem Waffenforscher, erörtert hatte, waren mangelhaft gewesen. Aber es gab ein neues Moment, das seit Wochen an seinem Unterbewußtsein nagte. Ungeduldig konzentrierte er seinen Willen darauf und hielt die Augen nach außen und innen weit offen.
Die Unterrichtsstunden waren beendet. Jetzt saß er zu Rachels Füßen und stellte Fragen, die dem ungeformten Gedanken seines Unterbewußtseins zum Durchbruch verhelfen sollten.
Manchmal fand sie seine Wißbegier komisch, manchmal beinahe beängstigend. Regelmäßig aber endete sein Verhör mit ihrer völligen Erschöpfung. »Es gibt wirklich einen Unterschied zwischen Männern und Frauen«, murmelte sie, als sie sich endlich ausstreckte, die Arme unter dem Kopf verschränkte und die Augen schloß. »Und ich weiß jetzt auch, worin er besteht. Frauen müssen ausruhen. Männer nicht.«
Eric war unermüdlich. Mit federnden, nervösen Schritten lief er im Käfig auf und ab und schüttelte immer wieder die Faust, als wollte er der Luft eine Idee einhämmern.
Schleuderte er ihr unvermittelt eine Frage entgegen, gab Rachel geduldig die gewünschte Auskunft. Sonst aber genügte es ihr, einfach dazuliegen, ihn zeitweise anzulächeln und zu dösen.
Er hatte dafür Verständnis, wenn es ihn auch wahnsinnig machte, auf ihren geschulten Verstand verzichten zu müssen. Er beobachtete ein Phänomen an ihr, das er früher schon häufig bei den Frauen der Menschheit bemerkt hatte: Schwangere Frauen gerieten meist in einen Zustand geruhsamer Euphorie, als nähme das hilflose Wesen, das langsam in ihrem Körper heranwuchs, all ihre Gedanken in Anspruch. Bei Rachel setzte dieser Zustand zeitig ein.
Einmal wurde ihr Tagesablauf unterbrochen. Eine Bestie kam vorbei und ließ Roy den Läufer in ihren Käfig fallen.
Eric hatte eine Lanze an sich gerissen, als der fremde Mensch sich von dem grünen Seil löste und dicht neben Rachel aufstand, die beide Hände vor den Mund geschlagen und die Augen angstvoll aufgerissen hatte. Dann erkannte er Roy und rief seinen Namen. Alle drei atmeten befreit auf und lächelten einander an.
Die Bestie hatte abwartend neben dem Käfig gestanden. Als sie sah, daß kein Gemetzel zu befürchten war, trollte sie sich wieder.
Eric hatte Rachel von Roy erzählt. Jetzt stellte er ihr Roy vor. Der war ungeheuer beeindruckt. Eine Frau des
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