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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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arbeiten…!»
    «Ich bin’s. Mach doch mal auf.»
    Christian ging zur Tür und schloß auf. «Ich dachte, Mutter…»
    «Hallo, Christian!» Sie küßte ihn flüchtig, nicht anders als ihren Bruder.
    Christian registrierte es wohl gar nicht. «Mutter fällt mir schon den ganzen Abend auf den Wecker.» Er machte ihre Stimme nach, parodierte sie gekonnt: «Chris, möchtest du nicht mal die Bockwürste heiß machen; Chris, willst du nicht mal Gläser spülen…»
    «Sie hat wirklich ‘ne Menge zu tun», sagte Ines, kühl und anklagend wie eine emanzipierte Journalistin aus dem Dritten Programm.
    «Ich hab auch ‘ne Menge zu tun.»
    «Wärste nich den ganzen Nachmittag aufm Sportplatz gewesen…»
    «Jetzt fängst du auch noch an? Na Klasse!» Christian explodierte sofort. «Was soll denn der Scheiß – meinst du nicht, mir reicht einer, der dauernd an mir rumerzieht?»
    «Mann, hast du ‘ne Laune heute!» sagte Ines mit dem Schmollmund der Bardot in ihrer besten Zeit.
    «Na und?»
    «Is ja fürchterlich mit dir seit vorgestern… Is was?»
    «Was soll schon sein?» Er hantierte an seiner Stereoanlage herum, als sei sie plötzlich defekt.
    «Haste Ärger?» Sie zog ihn zu sich heran.
    «Ärger!» Er schob sie wieder zur Seite. «Laß mich doch zufrieden.»
    «Nun sag schon… Du siehst ja richtig krank aus.»
    «Ich hab zuviel trainiert – Starts und Steigerungen über dreihundert Meter.»
    «Muß ‘ndas sein?»
    «Klar muß das sein, wenn de unter elf laufen willst. Von nichts kommt nichts.» Er feuerte seine Spikes in die Ecke.
    «Du machst dich ja kaputt bei.»
    «Is doch egal, wovon man kaputtgeht.»
    «Hör mal…»
    «Mich kotzt das sowieso alles an.»
    «Was denn: alles?» wollte sie wissen.
    «Na, alles eben», sagte er.
    «Komm, wir gehen mal rüber ins ‹Ballihoo›, die haben ‘n neuen Discjockey, so ‘n Otto-Typ, da mußte lachen drüber, ob de willst oder nicht.» Sie zog ihn zur Tür.
    Christian schüttelte sie wiederum ab. «Kann man denn nich mal einen Abend seine Ruhe haben? Ich renn doch nich dauernd in diese Scheißbeatschuppen.»
    «Na – dauernd…»
    Er zeigte auf seinen überquellenden Schreibtisch. «Ich muß noch was lesen für ‘n Kurs Moderne Literatur II, DDR-Autoren, Jurek Becker, (Irreführung der Behörden). Kurzreferat morgen. Ohne die Punkte da kann ich auch den nächsten Abiturtermin vergessen.»
    «Heute abend schaffste doch nichts mehr. Als ich damals…»
    Christian echauffierte sich wieder. «Damals, damals! Das Buch ist echt stark, mußte mal lesen.»
    Sie küßte ihn auf Stirn und Augen. «Erhol dich mal ‘ne Stunde, nachher geht’s wieder besser. Ich…»
    «Du? Du machst da morgen wieder deine Blutsenkungen, das kannste im Schlaf, aber ich – ich steh da und stottere wieder was rum…»
    Sie hatten sie nicht kommen hören; urplötzlich hämmerte seine Mutter gegen die Tür.
    «Chris, jetzt wird’s aber Zeit!»
    Er schrie: «Ja gleich!» Er schrie so, wie er in seiner ersten Trotzphase geschrien hatte, vor fünfzehn Jahren.
    Jutta Machnik begann zu verhandeln. «Ines hat mir versprochen, daß ihr…»
    «Ines hat dir gar nichts zu versprechen!» brüllte er.
    «Ich wart noch fünf Minuten, dann kannste dir die neue BMW in’nen Wind schreiben! Also…!»
    Sie hörten seine Mutter die Treppe hinuntereilen. Ines wollte weiter vermitteln.
    «Ich dachte, wir helfen ihr erst ‘n bißchen und gehen dann rüber ins ‹Ballihoo›…»
    Christian blieb stur. «Ich geh nich mehr helfen, da kann sie machen, was sie will. Jeden Abend den geilen Böcken da das Bier an die Tische schleppen – ich bin doch nich…!»
    Ines, die bisher im Zimmer umhergewandert war, blieb stehen. «Was haste denn plötzlich gegen die Leute?»
    «Was ich gegen die Leute hab? ‘ne Menge hab ich gegen die. Hast du denn keine Augen im Kopf?»
    «Wieso? Was is denn?»
    «Hast du noch nie gemerkt, warum die alle herkommen?» fragte Christian. «Die kommen doch alle bloß her, um Mutter zu betatschen und ihr untern Rock zu fassen. Und wenn ihr einer gefällt, dann nimmt sie den mit ins Bett. Jeden Monat ‘nen andern. Die schließen doch regelrechte Wetten ab, wer beim nächstenmal das Große Los zieht. Der letzte hieß Pook, der nächste wird wohl dieses Arschloch Kujawa sein.»
    Ines reagierte gelassen. «Deine Phantasie möcht ich haben! Soviel Psychologie kann ich auch, da steckt doch ganz was anderes hinter.»
    «Quatsch!» Christian riß den Anschluß seiner Stereoanlage aus der

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