Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
daran hatten sich die Briten bis zu diesem Zeitpunkt gewöhnt, aber doch nicht für die eigenen Kolonien!
Da es in diesem Buch darum geht, wer
Europa
nachhaltig geprägt hat, können uns die Briten mit ihrem Weltreich nicht beeindrucken. Nordamerika, Indien, große Teile Afrikas, Australien und ein Riesensack voller Inseln, ja, das war wirklich ein Weltreich. Aber im Gegensatz zu den Griechen, Römern, Franzosen gab es zu keinem Zeitpunkt ein britisches Reich, das den Kontinent unterworfen hätte. Dabei haben das sogar die verdammten Deutschen einmal geschafft. Immerhin, dafür gebührt den Briten dann wiederum viel Respekt, dass sie dieses unheilvolle Hitler-Europa, wenn auch im Verbund mit anderen, beendet haben: Noch bevor die Amerikaner ins Boot auf dem Kanal stiegen und die Russen von der anderen Seite Paroli boten, gab es eine Zeit, in der Großbritannien ganz allein, als einzige freie Demokratie und im Gegensatz zu Frankreich als unbesiegte Nation auf den Tisch schlug und sich wehrte.
Das Hobbes-Locke-Team klärt auf
Einzelne Briten haben Europa indes extrem geprägt. Die beiden Philosophen Thomas Hobbes und John Locke klärten uns über manchen modernen Gedanken auf und verdienen deshalb die Ehrenmitgliedschaft im Club der Aufklärer. Eine ihrer Ideen: Zwischen Regierung und Bevölkerung muss ein Vertrag abgeschlossen werden, und wenn ein Ego-König den Vertrag nicht einhält, muss er weg. Dieser Geistesblitz brachte Schwung in alle Deals zwischen Herrschern und Beherrschten und schwirrte bald in den verschiedensten Variationen in allen modernen Verfassungen herum. Auch in den USA , wo zuletzt Clint Eastwood eine Übersetzung dieser Vertragsidee in unserer heutigen Sprache lieferte: Politiker sind bloß unsere Angestellten. Wenn sie ihren Job nicht ordentlich machen, müssen wir sie feuern!
Darüber hinaus war Locke der Ansicht, dass Teilen eine gute Sache ist, vor allem wenn es die staatliche Gewalt betrifft. Nicht zuletzt ihm und seinen Aufklärer-Kollegen ist es zu verdanken, dass bei uns heute ein freies Gericht in Ruhe entscheiden darf, ob Gesetze mit der Verfassung im Einklang stehen oder nicht. So wie zuletzt beim Euro-Rettungsschirm ESM , selbst wenn alle darauf hinweisen, dass «die Märkte» möglichst bis zum nächsten Handelstag ein Ergebnis hätten.
«Die Märkte» kommen bei den Aufklärern noch nicht vor, aber die Herrschaft der Märkte in Reinform ist ebenfalls eine englische Erfindung, spricht man doch bis heute vom Manchester-Kapitalismus, wenn die Wirtschaftsordnung in ihrer brutalsten Form daherkommt: die maximale Profitmaximierung ohne lästige Gewerkschaften, Mindestlöhne und Minimalstandards für Menschen oder Umwelt. So oft, wie wir heute lesen, was sich die Märkte (angeblich) wünschen, was die Märkte (mit Sicherheit) abstrafen, was (angeblich) Gift für die Märkte ist und was (mit Sicherheit) das Beste für die Märkte wäre, ist dieses Konzept offenbar noch nicht gänzlich aus der Mode gekommen.
Da im England der Industrialisierung ab 1780 viele Menschen unter katastrophalen Bedingungen für die Märkte schufteten, verwundert es nicht, dass selbst der Gegenentwurf, der Kommunismus, in England erfunden worden ist. Karl Marx hatte ihn in London ausgebrütet. Das ist doch keine schlechte Bilanz für den britischen Einfluss in Europa, schließlich hat seine östliche Hälfte sehr konsequent versucht, die Marx’schen Ideen umzusetzen, bis man endlich draufkam, dass sie nicht funktionierten. Auch wenn man natürlich erwähnen muss, dass die Aushängeschilder der Briten immer wieder als Migranten enttarnt werden: Karl Marx ist, wie sein wichtiger Kompagnon Friedrich Engels, in Deutschland geboren worden.
Aber dieses Beispiel steht für viele in der britischen Geschichte: Vieles vermeintlich Britische ist es gar nicht. Das betrifft selbst den Kern des britischen Selbstverständnisses. Die Königsfamilie hat durch und durch deutsche Wurzeln – wie peinlich ist das bitte? Ab 1714 kam der englische König aus Hannover und sprach kein Wort Englisch. Später mischten weitere Deutsche auf dem Thron mit, und als die königliche Familie «Hannover» aus ihrem Namen strich und dafür «Sachsen-Coburg-Gotha» einfügte, klang das noch weniger weltläufig als Hannover und auf jeden Fall immer noch viel zu deutsch.
Im Ersten Weltkrieg nannte man sich in «Windsors» um, wollte man doch ungern mit deutschem Namen gegen Deutsche kämpfen. Also behalf man sich mit dem Namen des Dorfes, in
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