Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Reise eigentlich geht, wenn wir zurück in die Zukunft schreiten, wenn wir kehrt machen auf dem Weg. Daran dachte ich auch, als ich mit den Eurokritikern in der Kneipe saß.
Das Gespräch fand damals in einem kleinen Dorf in Franken statt. Wenn man am Ortsrand hinten in den Bus einstieg, musste man nur durch den Gang nach vorne gehen, wieder aussteigen – und schon befand man sich im Zentrum.
Franken gehört politisch zu Bayern, emotional sehen das viele Franken anders. Auf jeden Fall wurden sie bei der Gründung des Bundeslandes untergebuttert, denn das Bundesland heißt weder Franken-Bayern noch Bayern-Franken, und es gibt auch nur eine speziell bayerische Partei. Gerade aus dieser Partei, der CSU , kommen bis heute viele kritische Stimmen zu weiteren Integrationsschritten in Europa. Sind sie berechtigt? Schauen wir uns das doch einmal an einem Beispiel an, das dem Euroskeptiker in der Kneipe sicherlich gefallen würde: dem Bier.
Es existieren in Bayern so viele gute Brauereien, dass es überhaupt keinen Grund gibt, warum die Menschen in den Kneipen auch
Budweiser Budvar
aus České Budějovice in Tschechien bestellen sollten. Nichts anderes als ungeliebte Konkurrenz ist das. Früher gab es wenigstens noch Schutzzölle auf fremde Biersorten, und die machten das Importgebräu so teuer, dass die Menschen lieber zu einheimischen Sorten griffen. Ist doch eh besser, denn jedes Fass heimisches Bier, das von den Menschen daheim getrunken wird, sichert Arbeitsplätze daheim. Das ist ökonomisch vernünftig und stärkt die Heimat – um mal die Argumente der Eurogegner zu Ende zu denken. Insofern ist das Gesabbel vom angeblich so tollen Binnenmarkt der EU mit fast fünfhundert Millionen Konsumenten höchst fragwürdig. Und nach einem hellen
Flötzinger
kann man auch mal Tacheles reden: Im Grunde wäre es auch besser, wenn man die Schutzzölle auf das
Beck’s
aus Bremen,
Jever
aus Friesland und Kölsch erheben würde. Wer braucht schon diese Gesöffe?
Was ökonomische Weisheiten betrifft, machen die meisten Menschen gedanklich eine Rolle rückwärts, so wie bei diesem Bierbeispiel. Wer deutsche Autos fährt, stärkt die heimische Wirtschaft, ist schon klar, aber wer die Konkurrenz aus China oder Süd-Korea behindert, macht genau das, was Louis XIV im 17 . Jahrhundert getan hat.
Eine andere dieser «Weisheiten» besagt, dass Griechenland wieder konkurrenzfähiger würde, führte es erneut die Drachme ein, um seine eigene Währung abwerten zu können.
Wenn diese Theorie stimmte, wäre es auch eine gute Idee, die Drachme im Saarland und in Bremen einzuführen. Für strukturschwache Regionen im Osten Deutschlands wie Mecklenburg-Vorpommern böte sich die Ostmark an. Gleichzeitig könnten sich Kleinstaaten wie die Freie und Hansestadt Hamburg überlegen, sich mit Hilfe von Minisätzen zu Steuerparadiesen à la Monaco zu machen, um Kapital anzuziehen.
Am Ende müsste man dann zwischen Flensburg und München wieder einundzwanzigmal den Pass zeigen. Egal, ist doch eh immer Stau, da kann man auch mal kurz die Papiere hochhalten, oder?
In anderen Zusammenhängen als monetären würde man solche Forderungen nach Rückbesinnung auf das Althergebrachte als absurd abtun. Oder gibt es irgendjemanden, der sich freuen würde, wenn jedes Bundesland seinen eigenen Standard für DVD -Abspielsysteme hätte, die Regeln für Fußball in jedem Dorf anders wären und das Benzin im Sauerland anders gemischt würde als im Taunus? Doch genau das würde das Ende der Harmonisierung der Euromärkte bedeuten.
Schwäbisch wird Amtssprache
Welche Auswüchse eine allzu unhinterfragte Rückbesinnung auf das Alte haben kann, lässt sich in Spanien erkennen. Spanien ist ein Nationalstaat. Die Amtssprache ist Spanisch (Kastilisch/castellano). Diktator Franco sorgte dafür, dass Kastilisch (Hochspanisch) einst in ganz Spanien gesprochen wurde, indem er alle anderen Sprachen einfach verbot. Jetzt erstehen sie wieder auf, zusammen mit der regionalen Kultur.
In einer ganzen Reihe von autonomen Regionen gibt es inzwischen andere Amtssprachen, z.B. Katalanisch (català), das man nur im Südosten des Festlandes spricht, in Katalonien.
Auf Mallorca wiederum spricht man Mallorqui, was wiederum ein Dialekt des Katalanischen ist. Ich kenne Kinder auf der Insel, die als erste Sprache mit der Lehrerin diesen Dialekt lernen. Das wäre kein Problem, wenn man wie vor hundert Jahren auch den Rest seines Lebens auf der Insel als Schafhirte verbringen würde. Doch
Weitere Kostenlose Bücher