Von nun an fuer immer
ihn, nicht mit dem Schlafengehen auf sie zu warten.
James hatte recht gehabt mit seiner Einschätzung, dass es eine sehr zeitaufwendige Wiederbelebung werden würde. Obwohl ihr Körper inzwischen wieder eine normale Temperatur erreicht hatte, war Lornas Herzschlag immer noch nicht wieder im Takt. Mithilfe eines externen Herzschrittmachers schafften Abby und der Anästhesist es schließlich, Lorna zu stabilisieren. Endlich konnte das notwendige CT gemacht werden, das einen Haarriss im Schädelknochen sowie eine leichte Hirnschwellung zeigte.
Während das Team im Schockraum auf Hochtouren um das Leben der Patientin kämpfte, hatte die Polizei Lornas Eltern ausfindig gemacht und über den Unfall ihrer Tochter unterrichtet.
„Wie schätzt du ihre Chancen ein, Abby?“, fragte May, während sie mit der Assistenzärztin über die Intensivstation ging, wohin Lorna verlegt worden war. Im Grunde war die Frage überflüssig, denn May besaß genug Erfahrung, um zu wissen, dass die Prognose alles andere als gut war.
Nun war es an May, James zu informieren.
Die Kollegen glaubten alle, er wäre nach Hause gegangen, und so hatte ihn niemand in seinem Büro gestört.
Als May eintrat, fand sie ihn genau so vor, wie sie ihn Stunden vorher verlassen hatte: zusammengesunken am Schreibtisch, das Gesicht in den Händen vergraben. Er hatte nicht einmal seine Schreibtischlampe angeknipst, doch selbst im schwachen Licht, das vom Gang hereinstrahlte, konnte May die Qual in seinen Augen erkennen.
„Sie ist gerade auf die ITS verlegt worden.“ May zog sich einen Stuhl heran. „Sie hat einige Rippenfrakturen und einen Haarriss im Schädelknochen, aber …“
James wusste selbst, wie ernst die Situation war. Trotzdem musste er es von May hören.
„Sie hat sich bereits selbstständig bewegt, nachdem ihre Temperatur gestiegen war, doch Khan befürchtet, dass sie krampfen könnte, und so hat er angeordnet, sie noch für achtundvierzig Stunden ins künstliche Koma zu versetzen und sie weiter zu beatmen. Das CT hat eine Hirnschwellung gezeigt, aber …“
„Aber es wird noch eine Weile dauern, bis man ihren Zustand abschließend beurteilen kann“, beendete James den Satz für May.
„Ja. James …“ May nahm seine Hand, denn James lag ihr wirklich am Herzen. Sie musste es ihm sagen, damit er keine falschen Hoffnungen hegte. „Ihr Zustand ist sehr kritisch. Khan ist nicht sehr optimistisch und Abby ebenfalls nicht. Wir hoffen, dass ihre Eltern bald hier sind. Offenbar war sie hier in London, weil sie einige Vorstellungsgespräche hatte. Zumindest geht das aus den Unterlagen hervor, die man in ihrem Wagen gefunden hat. Die Polizei hat ihre nächsten Angehörigen – also ihre Eltern – schon benachrichtigt. Sie sind unterwegs.“
„Großartig!“ In seiner Stimme lag ein Zynismus, den May noch nie zuvor bei James erlebt hatte.
„Es tut mir leid, James.“ Mitfühlend tätschelte sie seinen Arm. „Du kennst sie, nicht wahr?“
„Ich habe sie seit über zehn Jahren nicht gesehen … Ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass es mit ihr zu tun hatte, aber seit ich von der Unfallstelle zurück war, habe ich diese Unruhe gespürt …“ Ihm war klar, dass diese Worte nicht zu seinem sonst so messerscharfen analytischen Verstand passten. „Ich wusste es – auch wenn das keinen Sinn ergibt.“
„Also ich finde, es ergibt durchaus einen Sinn“, widersprach May. „Wir haben doch schon oft erlebt, dass Eltern es intuitiv gespürt haben, wenn etwas mit ihren Kindern nicht stimmte. Oder dass erwachsene Kinder spontan bei ihren Eltern vorbeikamen, um diese bewusstlos auf dem Boden liegend vorzufinden.“
„Aber ich hatte keine diffuse Ahnung, ich wusste, dass etwas nicht stimmte.“
„Und du hattest recht.“ May konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. Sie musste einfach wissen, wer diese schöne, blasse Frau war. „War sie früher einmal eine Kollegin von dir?“ Bestimmt nicht hier im North London Regional Hospital. An eine so außergewöhnliche Frau hätte May sich erinnert.
„Wir haben uns beim Studium kennengelernt.“
„Ach ja, du hast ja oben in Schottland studiert. Wart ihr im gleichen Jahrgang?“
James schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist ein paar Jahre jünger als ich.“
Obwohl er saß, sah er aus, als würde er im nächsten Moment zusammenbrechen.
„Bist du damals mit ihr ausgegangen?“, fragte May vorsichtig.
„Es war etwas mehr als das.“ James’ Stimme klang
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