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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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den Krieg gegen Frankreich wiederzubeleben, jetzt, da er die Lancaster endgültig erledigt glaubte.
    Aber der König von Frankreich kaufte Edward den Anspruch auf die französische Krone für ein stattliches Sümmchen ab, und der York-König mit dem sonnigen Gemüt machte sich daran, dieses königliche Lösegeld zu verprassen. Er wurde vollkommen maßlos in seinen Ausschweifungen. Das klingt reichlich altmodisch, aber genau so war’s. Er betrog seine Königin nicht einfach nur mit einer Reihe von Mätressen, wie fast jeder seiner Vorgänger es getan hatte, sondern zog sich immer häufiger auf irgendeine verschwiegene Burg zurück, wo er die wildesten Orgien veranstaltete. Außerdem trank und aß er zu viel und wurde fett. Das rächte sich 1483: Um Ostern herum wurde er krank – vielleicht war’s ein Schlaganfall –, und am 9. April starb er im Palast zu Westminster.
    Jetzt wird es ein bisschen kompliziert, denn alles, was sich in den sechs Monaten nach Edwards Tod ereignete, ist bis auf den heutigen Tag heftig umstritten.
    Version A fängt an mit: Edwards einzig verbliebener Bruder, Richard of Gloucester, war ein Monster.
    Version B fängt an mit: Edwards einzig verbliebener Bruder, Richard of Gloucester, war ein Engel.
    Die aktuelle Forschung und ich tendieren zu Version A, die ich Ihnen darum auch erzähle, und auf Version B gehen wir danach kurz ein, okay?Also: Edwards einzig verbliebener Bruder, Richard of Gloucester, war ein Monster. Trotzdem bestimmte das Testament seines Bruders ihn zum Lord Protector, der mit dem Kronrat gemeinsam regieren sollte, bis der zwölfjährige Edward, Prince of Wales, mündig wurde (so wie wir’s schon kennen).
    Gloucester holte den zwölfjährigen Prinzen auch nach London, quartierte ihn im Tower ein und bereitete scheinbar alles für dessen Krönung Ende Juni vor, schaffte aber gleichzeitig jeden aus dem Weg, der dem Prince of Wales besonders nahe stand. Wie den Bruder der Königin etwa, den Gloucester des Verrats bezichtigte und hinrichten ließ.
    Königin Elizabeth geriet in Panik und ging mit ihren Töchtern und ihrem zweiten Sohn, Richard of York, in Westminster Abbey ins Kirchenasyl.
    Am 16. Juni schickte Richard of Gloucester, das Monster, den Erzbischof von Canterbury zur Königin, um sie zu bitten, ihren jüngeren Sohn herauszurücken, weil der zukünftige König im Tower so einsam sei. Und Elizabeth, dieses Riesenschaf, ließ sich überreden.
    Am selben Abend wurde bekannt gegeben, die Krönung des jungen König Edward sei auf den 9. November verschoben worden.
    Am 22. Juni predigte ein gewisser Dr. Shaw an St. Pauls Cross – das war im 15. Jahrhundert das Äquivalent zu einer Sondernachrichtensendung – und tat kund, dass der kleine Prince of Wales und sein Bruder Bastarde seien, da ihr Vater vor Elizabeth Woodville schon eine andere Frau geehelicht habe. Darum habe Richard, der Duke of Gloucester, sich schweren Herzens entschlossen, die Krone selber zu nehmen.
    Vier Tage später nahm Richard of Gloucester, dieses Muster an Anstand und Selbstlosigkeit, zum ersten Mal auf dem Thron in Westminster Hall Platz, und am 6. Juli 1483 ließ er sich zu Richard III. von England krönen.Irgendwann zwischen Richards Krönung und September 1483 verschwanden die beiden Prinzen im Tower. Sie verschwanden ganz allmählich. Zuerst sah man sie auf dem Tower Green noch jeden Tag beim Fußballspielen und Bogenschießen. Dann immer seltener. Und irgendwann überhaupt nicht mehr.
    Vieles spricht dafür, dass Richard III. seine beiden Neffen ermorden ließ, denn auch wenn er sie als Bastarde gebrandmarkt und somit aus der Thronfolge gedrängt hatte, wären sie doch immer eine Bedrohung für ihn geblieben, denn die Behauptung einer angeblichen früheren Ehe seines königlichen Bruders war ein schwacher, leicht durchschaubarer Trick. Aber ein eindeutiger Beweis für den Prinzenmord fehlt. Offiziell gelten Edward V. (wie er genannt wird, obwohl er nie gekrönt wurde) und der kleine Richard of York als »verschollen«, denn ihre Leichen wurden nie eindeutig identifiziert.
    Das Schicksal der Prinzen im Tower beschäftigte noch diesen Künstler des 19. Jahrhunderts.
    Im Jahr 1674 wurden bei Bauarbeiten im Tower zwei Kinderskelette entdeckt. Der damalige König – Charles II. – warf einen Blick darauf, sagte, es müsse sich wohl um die ermordeten Prinzen handeln, und ließ sie in Westminster Abbey beisetzen. 1933 wurden sie exhumiert und von einem Mediziner und einem Zahnmediziner

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