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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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endlich Frieden zu haben, denn er hatte für Krieg im Allgemeinen und für diesen hundertsiebenjährigen im Besonderen nichts übrig.
    Aber Charles und die Franzosen waren die Besatzung so satt, dass sie sich an keine Abkommen mehr hielten. Sie waren ja nicht blöd und wussten ganz genau, dass kein Löwe wie Henry V., sondern ein Lämmchen auf dem englischen Thron saß.
    Bis 1450 eroberten die Franzosen die gesamte Normandie zurück, und dann blickte Charles VII. nach Süden.
    Da war doch noch was?
    Aquitanien, ganz genau.
    Lange Zeit war das südliche Herzogtum im Krieg um die nördlichen Gebiete fast in Vergessenheit geraten, aber jetzt, rund dreihundert Jahre nachdem die berühmte Eleanor es quasi als Mitgift an die englische Krone eingebracht hatte, erinnerte man sich in Frankreich plötzlich daran, dass die Engländer ja auch im Süden noch ein Standbein hatten.
    Es dauerte noch einmal drei Jahre, es abzusägen. 1453 kam es bei Castillon zu einer blut- und verlustreichen Schlacht. DiesesMal machten nicht die englischen Bogenschützen Kleinholz aus den Franzosen, sondern die französische Artillerie Hackfleisch aus den Engländern.
    Das Zeitalter der Rüstungstechnik hatte nämlich begonnen.
    Und so endete der Hundertjährige Krieg, den England mehrmals um ein Haar gewonnen hätte. Alle englischen Besitzungen in Frankreich bis auf Calais waren verloren.
    Als König Henry die Nachricht erhielt, tat er das, was auch sein französischer Großvater in Krisensituationen häufig getan hatte: Er verlor den Verstand.
    Siebzehn Monate lang war er umnachtet, bettlägerig und teilweise überhaupt nicht ansprechbar. Er verpasste die Geburt seines Sohnes und Erben (der zur Abwechslung mal wieder auf den Namen Edward getauft wurde), sowie den eskalierenden Streit zwischen dem Duke of York und Edmund Beaufort, dem Duke of Somerset.
    Beide hatten ja schon unter Kardinal Beaufort und Humphrey of Gloucester in verfeindeten Lagern gestanden. Beide betrachteten sich als rechtmäßigen Erben des Königs. York, weil er den March-Thronanspruch geerbt hatte, Somerset, weil er ein Beaufort war und somit unmittelbar von John of Gaunt, dem großen Duke of Lancaster, abstammte.
    Sie brauchen nicht zu versuchen, die Legitimation dieser Thronansprüche zu durchschauen. Es gab in beiden Fällen Argumente für und wider. Und mit der Geburt des kleinen Prince of Wales hätte sich die Frage ja eigentlich auch erledigen sollen. Das geschah aber nicht, und die Feindschaft zwischen York und Somerset, die sich gegenseitig die Schuld für den verlorenen Krieg in Frankreich zuwiesen, wurde immer bitterer. Ein Chronist erzählt, sie seien sich in London einmal zufällig in einem Garten über den Weg gelaufen. Nachdem sie sich ein paar Gehässigkeiten an den Kopf geworfen hatten, riss Somerset eine rote Rose von einem Busch ab (die Wappenblume des Hauses Lancaster) und sagte: »Lasset all jene, dietreu zu Lancaster stehen, eine rote Rose tragen!« Daraufhin riss York eine weiße Rose ab (die Wappenblume seines Hauses) und erklärte, sie solle fortan das Erkennungszeichen der Yorkisten sein.
    Das war auch das Mindeste, was die beiden Gentlemen tun konnten. Wenigstens gaben sie dem furchtbaren Bürgerkrieg, den sie anzettelten, mit dieser Episode einen hübschen Namen.
    In dem Machtvakuum, das Henrys geistige Erkrankung schuf, konnte York vorerst den Kronrat hinter sich bringen, und Somerset wanderte in den Tower.
    Doch als der König um Weihnachten 1454 herum wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte, machte er alle Beschlüsse rückgängig und holte seinen Cousin Somerset aus der Haft.
    Es ist sehr schwierig zu entscheiden, wer in diesem Machtkampf (und natürlich ging es um nichts anderes als um die Macht in England) im Recht, wer im Unrecht war. Aber eins ist gewiss: König Henry machte die Sache mit seiner Neigung, im Zweifel für Somerset – der ihm verwandtschaftlich näher stand – zu entscheiden, nicht einfacher.
    Richard of York verkrümelte sich nach Norden, wo er eine große Schar Anhänger hatte, die fast alle Neville hießen. Vielleicht erinnern Sie sich an Ralph Neville, den standhaften Earl of Westmoreland, der John of Gaunts Tochter Joan Beaufort geheiratet hatte? Die beiden bekamen fünfzehn Kinder, und ihr ältester Sohn noch mal ein Dutzend. Darum wimmelte es im Norden nur so von Nevilles, und Richard of York hatte eine geheiratet. Nun sammelte er die Neville-Scharen und seine sonstigen Anhänger um sich und zog mit ihnen zurück gen

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