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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Strachwitz'schen Gedichte, nichts – oder doch zu wenig – von jenem dem Ohr sich Einschmeichelnden, ohne das es für mein Gefühl keine Lyrik gibt. Bei Scherenberg trat das ganz eminent hervor, er gab es auch selber zu; bei Lepel versteckte sich's, war aber doch da. Er galt für einen Formkünstler und war es auch; er überwand große Schwierigkeiten, und man mußte voller Respekt vor dem Aufbau seiner Terzinen sein. Aber was ich das Sich-Einschmeichelnde nannte, das fehlte. Will ich mich an Gedanken und Gesinnungen aufrichten, so kann ich das in Prosa tun; bringt mir einer Verse, so müssen sie gefällig sein, sich meinen Sinnen anschmiegen. Können sie das nicht, so haben sie ihre Aufgabe mehr oder weniger verfehlt. Alles, was Lepel damals schuf, ist zu schwer, und nur ein einziges unter diesen vorerwähnten römischen Gedichten ist voll geglückt, indem es zu der Korrektheit und Kraft des Ausdrucks auch noch Wohlklang gesellt. Dies Gedicht, in Terzinen, heißt »Ganganelli«. Zunächst schon ein herrlicher Stoff. An jedem Gründonnerstage, so war es Herkommen durch Jahrhunderte hin, erschien der Papst in der Peterskirche, um seinen Fluch auf die Ketzer zu schleudern. Als aber Ganganelli, unter dem Namen Clemens XIV., Papst geworden war und die herzugeströmte Menge wieder den altehrwürdigen Fluch erwartete, klang es vom Altare her: »Ich segne alle Völker dieser Erde.« Vielleicht wär' es das schönste gewesen, Lepel hätte dieses Gedicht mit dieser Situationsschilderung und dem Segenswort des Papstes geschlossen; aber es war damals eine polemische Zeit, irgendwas Anzügliches zu Nutz und Frommen des Liberalismus mußte geleistet werden, und so schloß denn auch das Gedicht mit folgender antijesuitischer Gesinnungstüchtigkeit:
     
    Und Klio zeichnet Ganganellis Namen
    Ins große Buch der Welt mit goldnen Schriften,
    Euch aber frommt es nicht ihn nachzuahmen,
    Euch hat's allein gefrommt – ihn zu vergiften.
     
    Ich bin durchaus gegen solche, noch dazu, was das Tatsächliche betrifft, mehr oder weniger in der Luft schwebende Polemik. Indessen auch mit ihr ist es immer noch ein schönes Gedicht, zu dem sich unter allem, was er später geschrieben, nur noch ein Seitenstück findet. Dies heißt »Thomas Cranmers Tod«. Auch ein brillanter Stoff. Cranmer, anglikanischer Bischof, soll, als Maria Tudor die katholische Kirche zu neuer Herrschaft führen will, seinen englisch-protestantischen Glauben abschwören, und in der Schwäche des Fleisches gibt er auch nach. Nachdem er aber abgeschworen hat, erfaßt ihn Scham und Reue, und als die Klerisei bei einer dazu festgesetzten Zeremonie darauf wartet, daß er den bis dahin nur im engsten Kreise geleisteten Widerruf nun auch öffentlich in der Westminsterabtei und in Gegenwart aller katholischen Kirchenfürsten des Landes bestätigen werde, widerruft er seinen Widerruf und bricht, seine Schwurfinger erhebend, in die Worte aus: »Ins Feuer die verruchte Hand« – ein Wort, das er dann wenige Wochen später mit seinem Märtyrertod auf dem Scheiterhaufen besiegelte. Der Stoff, wie schon hervorgehoben, ist ergreifend, einzelnes auch im Ausdruck ungemein packend; aber es ist als Ganzes zu lang, und in dieser Länge geht die Balladenwirkung verloren. Lepel, wie die meisten Tunnelianer, hatte kein rechtes Kompositionstalent; er hatte den dichterischen Ehrgeiz und auch die Kraft, ganz vorzügliche Strophen im einzelnen zu bilden, aber der Aufbau des Ganzen ließ in den meisten Fällen allerlei zu wünschen übrig. Am auffälligsten zeigte sich dies in seiner großen Ballade »Die Dänenbrüder«, worin die bekannte Geschichte von König Erich und Herzog Abel – welcher letztre den auf der Schlei fliehenden König durch Gudmunsen verfolgen und bei Missunde ermorden läßt – behandelt wird. Es finden sich in dieser Ballade Strophen von erstem Range.
     
    Mein Fährmann, sei nicht träge,
    Dein König lohnt es dir,
    Ich höre Ruderschläge
    In der Ferne hinter mir ...
     
    Doch wie sie die Gewässer
    Auch schlugen gut und viel,
    Gudmunsen ruderte besser,
    Und schneller war sein Kiel.
     
    Das ist in bezug auf Balladenton nicht leicht zu übertreffen, aber das Ganze geht trotzdem aus wie das Hornberger Schießen. Es verläuft nicht nur mehr oder weniger prosaisch, sondern bricht auch ohne rechten Schluß ab. Sehr schade. Bei der Energie des Ausdrucks, die Lepel seinen Strophen zu geben wußte, hätte er, bei mehr Kompositionstalent, gerade in der Ballade Bedeutendes leisten

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