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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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müssen.
    Am dichterisch höchsten, wenigstens in allem, was die Form angeht, steht er in Schöpfungen, die verhältnismäßig zu geringer Geltung gekommen sind: in seinen Oden und Hymnen, also in Dichtungen, in denen er recht eigentlich als Schüler Platens auftritt, dem er in sprachlicher Vollendung sehr nahekommt und den er an Empfindungswärme gelegentlich übertrifft. Ein Meisterstück ist seine 1847 geschriebene Ode »An Alexander von Humboldt«.
     
    Ins Zeichen der Waage trat die Sonne
    Bei deiner Geburt.
    Gleichmaß und Gesetz
    Zu finden erschienst du, sei's im Weltraum.
    Wo kreisender Stoff
    An Stoffe gebannt,
    Sei's, wo in des Meergrunds tiefster Verborgenheit
    Durch zelliges Moos der Trieb der Atome kreist.
     
    Der Dichter entrollt dann im weiteren den Menschheits- und Kulturgang und zeigt uns, wie das Licht der Erkenntnis das Dunkel des Aberglaubens zu besiegen beginnt.
     
    Schon lichtete sich's, und aus der Krippe
    Sah liebend empor
    Der lächelnde Gott.
    Doch wieder verbarg der Rauch des Altars
    Mit düstrer Gewalt
    Die göttliche Stirn,
    Und dunkle Nacht umgraute den Forscherblick ...
    Da rüttelten Geister wieder am Eisenstab,
     
    Und kecken Rufs ausbrach die Wahrheit
    Hinter dem Schwure des Galilei.
    Und immer heller wird's ... Und sieh,
    Mit freierm Schwung jetzt flog im Weltraum
    Der sinnende Geist;
    Planeten ergriff
    Und wog die gewaltige Hand des Newton:
    Aufdeckt er der Welt
    Festhaltende Kraft ...
     
    So ein paar Glanzstellen aus dem Humboldt-Hymnus. Von gleicher Schönheit ist eine an »König Friedrich Wilhelm IV.« gerichtete Ode. Sie ist im Sommer 1848 geschrieben und fordert den König auf, den »Kelch des Dulders« aus der Hand zu stellen und dem »Geweb' arglist'ger Lüge« gegenüber zum Schwert zu greifen. Ein Ruf also nach Reaktion, so scheint es. Aber die Gesinnung, aus der heraus er seine Forderung, »zum Schwert zu greifen«, stellt, ist nicht etwa eine höfisch-servile, sondern umgekehrt eine derartig edelmännisch-freie, daß man über die Sprache staunt, die hier ein Gardeleutnant vor seinem König führt.
     
    Ergreif' das Schwert, da Deine Schuld Du gesühnt
    Durch tiefe Demut vor der erzürnten Welt,
    Nie stand so tief gebeugt ein König,
    Aber es wendete sich das Schuldblatt ...
     
    Wohl ist die Langmut Tugend der Könige,
    Doch, wo das Maß voll, hebe der Fürst den Arm,
    Und sinkt sein Glücksstern, bleibt der Ruhm ihm
    Eines erhabenen Unterganges.
     
    Du aber, Herr, mögst unter den Glücklichen,
    Mögst Deines Volks heilbringender Führer sein;
    Doch – bei der Größe Deiner Ahnen –
    Fasse den flatternden Zaum, sei
König!
     
    Es sind das, in der Humboldts- wie in der Königsode, Strophen, die sich wohl neben den besten seines Meisters und Vorbildes behaupten können.
    Ganz besonders beanlagt war er für das höhere Gelegenheitsgedicht, also für jene feineren und weit jenseits von »Polterabend« und »Hochzeit« liegenden Extrafälle, wo's einen Mann von politischer oder künstlerischer Bedeutung zu feiern galt. Er war sich – übrigens immer humorvoll und nie bedrücklich für etwaige Konkurrenten – über dies sein virtuoses Können auch vollkommen klar und vor allem darüber, daß, wenn
ich
solcher Feier beiwohnte, wenigstens
einer
da war, der ihn herzlich und ehrlich bewunderte. Wie viele Male, daß er, wenn wir beim Tafelumgang anstießen, mir leise zuflüsterte: »'s hat's keiner so recht verstanden; aber du hast.« Unter »verstehen« verstand er »würdigen, eingehen auf jede kleine Form- oder Gedankenfinesse«. Zu dem vielen, was ich ihm verdanke – ich habe z.B. auch Briefschreiben von ihm gelernt –, gehört sicherlich das leidlich gute Sichabfinden mit dem Gelegenheitsgedicht. Es ist das eine ganz eigene Kunst. Die meisten denken: »Wenn gelacht wird, dann ist es gut«, aber diesen Erfolg erreichen, heißt doch nur im Vorhof des Tempels stehn.
    Eins dieser Lepelschen Gelegenheitsgedichte geb' ich hier. Es stammt aus dem Herbst 1854, als Menzels berühmtes »Hochkirch-Bild«, natürlich sehr verspätet, auf der Kunstausstellung erschien 10 . Es machte sofort Sensation, und die Künstlerschaft oder vielleicht auch unser »Rütli«, eine intime Abzweigung des Tunnel, veranstaltete eine Feier. Lepel übernahm den Toast und las das Folgende:
     

Menzels Überfall bei Hochkirch
     
    Das nennt man einen Überfall
    Von neuester Bekanntschaft!
    Aufschrecken Porträt und Pferdestall,
    Das Genre und die Landschaft!
     
    »Wir glaubten,« rufen sie

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