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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Übelwollen, wo nur Zwang der Verhältnisse vorlag. Hätte der Chefredakteur die Romane seines »Romanciers« in fortlaufenden Beilagen zum Druck gebracht, so hätte sich Hesekiels äußere Lage mit einem Schlage glänzend verändert; aber das zu tun – wie's von ihm gewünscht wurde – war eben ganz unmöglich: es hätte das das Konto der Zeitung nicht bloß zu hoch belastet, sondern auch die Leser aufsässig gemacht, die bald sehr wenig Lust gehabt haben würden, sich Nummer um Nummer immer neue märkische Geschichten auftischen zu lassen. In dies Sich-Abgelehnt-Sehen hatte sich, soweit seine Romane mitsprachen, Hesekiel schließlich denn auch gefunden. Aber da waren auch noch seine kleineren Dichtungen, seine Lieder, und um dieser willen kam der Unmut zum offenen Ausbruch. Gedichte, meist nur zwanzig Zeilen, und von Honorar keine Rede! Das war doch bloß eine Sache der Gefälligkeit, und auch hier eine Ablehnung erleben zu müssen, das war zuviel. So wenigstens dachte Hesekiel. Und mancher Draußenstehende, der das nachträglich liest, wird ebenso denken. Aber wer jene Tage von 1864 und 1866 – siebzig war es ebenso, aber da war ich schon fort – auf der Kreuzzeitung miterlebt hat, der weiß, in welch furchtbarer Lage sich der arme Chefredakteur andauernd befand. Zehn Gedichte in einer Stunde war für Hesekiel eine Kleinigkeit. Wozu Storm fünf Monate brauchte, dazu brauchte Hesekiel fünf Minuten. Ritt Prinz Friedrich Karl von Münchengrätz bis Gitschin, so hieß es »Der rote Prinz bei Gitschin«; ritt er von Gitschin nach Münchengrätz zurück, so hieß es »Der rote Prinz bei Münchengrätz«. Jede kleine Notiz wurde sofort zum Gedicht, und all das am anderen Morgen als lyrischen Erguß zu bringen, was am Abend vorher Telegramm gewesen war, war unmöglich. Jeder sah dies ein, nur Hesekiel selbst nicht. Er überschätzte diesen Zweig seines Schaffens. Ich bin damals der aufrichtige Lobredner dieser »Neuen Lieder, gedruckt in diesem Jahr« gewesen und bin es noch; ich habe sogar in der bitteren Fehde »Hesekiel contra Scherenberg«, aller Scherenberg-Verehrung unerachtet, konstant auf Hesekiels Seite gestanden, weil ich das echt Volksmäßige seiner Lieder wohl erkannte; aber wie das immer bei dem Volksliedmäßigen ist, neben einem Granat oder einem Karneol liegen hundert rote Glassplitter. So war es auch bei Hesekiel. Er verlangte zuviel und war durchaus im Unrecht, die Ablehnung dessen, was nun mal nicht ging, als Kränkung zu empfinden.
    Dies alles spielte sich auf der Redaktion selber ab. Aber auch außerhalb derselben war er Kränkungen von Parteigenossen ausgesetzt. Über zwei dieser Vorkommnisse, die ganz besonders schwer an ihm zehrten, will ich berichten. Es war die Zeit, wo das Wagenersche Konversationslexikon geschrieben wurde, das bekanntlich den Zweck verfolgte, den liberalen Nachschlagebüchern gegenüber auch mal der konservativen Sache zu dienen. In Brockhaus und Meyer fehlte damals Hesekiel, weil er Kreuzzeitungs-Mann war, und dem Wagenerschen Lexikon lag es mithin selbstverständlich ob, dies zu begleichen und der preußisch-konservativen Welt von ihrem Lieblingsschriftsteller George Hesekiel nach Möglichkeit zu erzählen. Aber dieser Artikel blieb aus. Bruno Bauer, der über Wageners Kopf weg alles schrieb und nicht bloß Bauer hieß, sondern auch Bauer war – noch dazu Rixdorfer Bauer –, war nicht der Ehren, auch nur sieben Zeilen über den, all seiner Mängel unerachtet, unbestritten ersten und talentvollsten Romancier der Partei zum Druck zu geben. Hesekiel war ganz außer sich darüber. Was Bruno Bauer zu solcher Haltung bestimmte, weiß ich nicht. Könnte ich annehmen, er habe politisch oder moralisch oder literarisch eine, wenn auch irrige, so doch ehrliche Meinung dadurch ausdrücken wollen, so würde ich das respektieren. Daran ist aber gar nicht zu denken. Man muß diesen Mann gesehen haben, um zu wissen, daß dies ausgeschlossen ist. In hohen Schmierstiefeln und altem grauen Mantel, einen Wollschal um den Hals und eine niedergedrückte Schirmmütze auf dem Kopf, kam er, den Knotenstock in der Hand, jeden Sonnabend von Rixdorf hereingestapelt, um auf der Kreuzzeitungs-Druckerei Bestimmungen über seine Artikel zu treffen. Seine kleinen dunklen Augen, klug aber unfreundlich, beinah unheimlich, bohrten alles an, was ihm in den Weg kam. Eine grenzenlose Verachtung der durch uns repräsentierten kleinen Redaktionskrapüle sprach aus seinem ganzen Auftreten, und der korpulente

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