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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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bestürzt,
    »Wir herrschten hier ganz alleine,
    Die Ehre blieb uns unverkürzt,
    Und ein anderer kriegte keine!
     
    Wir glaubten, das Historische sei
    Diesmal nur schwach vertreten,
    Verfallen sei es dem Geschrei
    Der kritischen Trompeten;
     
    Wir hingen an unsern Nägeln in Ruh',
    Vom Vorsaal bis zum Ende –
    Da kommt auf einmal noch was dazu,
    Es wackeln die alten Wände!
     
    Da kommt voll Glut, tief, schaurig, wild,
    Von mächtigem Geist getragen,
    Ein wirkliches historisches Bild –
    Was soll man dazu sagen!«
     
    Sie rufen's und erblassen dabei:
    Die Genrebilder weinen,
    Die Pferdebilder werden scheu,
    Die nicht militärfromm scheinen.
     
    Die Marine hält dem Sturm nicht Stand,
    Das Meer kocht auf wie Brühe,
    Und die schönen Kühe im farbigen Brand,
    Sie kalben alle zu frühe!
     
    Da hebt vor diesem lärmenden Chor
    Sich auf dem historischen Bilde
    Der König hoch im Sattel empor.
    Laut ruft er ernst und milde:
     
    »Daß ich hier keinen Hasen seh'!
    Ihr bleibt, nach unserm Satze,
    Dem alten Suum cuique,
    Ein jeder auf seinem Platze!
     
    An Malern fehlt's nicht, wie ich seh',
    Ihr habt hier jedes den seinen:
    Landschaft und Genre und Porträt –
    Und ich – ich habe den meinen!«
     
    Das soll mal einer ihm nachmachen! Da können die »Jüngsten« nicht gegen an.
    Die Jahre, wo Lepel seine »Lieder aus Rom« schrieb, bildeten seine glücklichste Zeit. Es war von 1844 bis 46. Winter 46 auf 47 nahm er wieder Urlaub – man gab ihn ihm gern, denn man war in seinem Regimente »Franz« stolz auf ihn – und ging, einer Einladung folgend, zum dritten Male nach Rom. Er hing ganz ungemein an Italien und würde, seiner Natur nach, seine Begeisterung für Land und Volk unter allen Umständen betätigt haben; es muß aber doch auch gesagt werden, daß die Dinge, von Jugend auf, dadurch ganz besonders glücklich für ihn lagen, daß er durch die Verhältnisse zum Rom-Enthusiasten geradezu herangezogen wurde. Das kam so. Lepels Onkel, älterer Bruder seines Vaters, war der General von Lepel, der den Prinzen Heinrich von Preußen bei seiner schon in den zwanziger Jahren oder noch früher erfolgten Übersiedlung nach Italien von Berlin aus begleitet hatte. Dieser Prinz Heinrich von Preußen 11 , den niemand so recht kennt, war ein Bruder König Friedrich Wilhelms III., mit dem er, wenn ich recht berichtet bin, schlecht stand, was ihn veranlaßte, sich selber zu verbannen. Nach anderen wurde solche Verbannung ihm auferlegt. Als ich jung war, gingen darüber allerlei sonderbare Geschichten um, auf deren Mitteilung ich aber hier verzichte. Denn sie waren zum Teil ziemlich anzüglicher Natur. Irgendwas Besonderes muß aber wohl vorgelegen haben, wenigstens ist seitens des Prinzen niemals der Versuch gemacht worden, nach Preußen zurückzukehren. Er lebte dreißig Jahre lang unausgesetzt in Rom.
    Über den Prinzen selbst habe ich Lepel nie sprechen hören, wohl aber über den »Onkel General«, an dem er sehr hing und der denn auch seinerseits dem Neffen eine große Zuneigung bezeigte. Diese Zuneigung übertrug sich nach dem Tode des Generals von ebendiesem auf die verwitwete Generalin und führte zu der vorerwähnten Einladung, der Lepel im Winter 46 auf 47 folgte. Die Reise ging zunächst bis Rom und von da bis nach Palermo, in dessen unmittelbarer Umgebung, mit dem Blick auf den Golf und den »Pellegrino«, die Tante eine Villa gemietet hatte. Mit ihr waren noch zwei junge Engländerinnen: eine Nichte der Generalin, Miß Brown, und eine Freundin dieser letztren, eine Miß Atkins. Lepel verbrachte hier einen herrlichen Frühling, und was von Schmerzlichem sich in sein Glück mit einmischte, daran war er selber schuld. Er hatte schon in Rom wahrgenommen, daß er sich, nach dem Wunsche der Tante, mit Miß Brown verloben solle. Das verdroß ihn, und ganz im Stile Lepels, der, bei der größten Nachgiebigkeit und Milde, doch auch zugleich wieder an einer gewissen Querköpfigkeit litt, hielt er es für männlich oder Ehrensache, diesem Plan mit einem »Nein« zu begegnen. Er wählte zu diesem Zweck ein geradezu heroisches Mittel, und als er, nach dem Eintreffen in Palermo, mit Miß Brown in einem ersten verschwiegenen Visavis war, trat er an sie heran und sagte: »Miß Brown, ich weiß, daß ich Sie heiraten soll; ich werde Sie aber nicht heiraten.« Der arme Lepel! Vierzehn Tage später war er sterblich in die schöne und sehr liebenswürdige Engländerin verliebt und mußte nun zu seinem eignen Elend die Scheidewand

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