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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Hesekiel mit blauem Frack und blanken Knöpfen war ihm wohl ganz besonders unbequem. Die Bauers waren sehr klug, aber wenig angenehm und hatten einen wirklichen und ehrlichen Respekt nur vorm »Arnheim« und dann und wann vor Rußland. Es ist ein Segen und großer Kulturfortschritt, daß diese ganze Menschenklasse weg ist.
    Eine gleich große Kränkung, wie die vorstehend erzählte, wurde Hesekiel durch einen Mann zugefügt, der eigentlich an ihm hing und den Hesekiel seinerseits geradezu liebte. Das war ein alter Provinzialedelmann. Der sagte mal: »Ja, lieber Hesekiel, ich weiß, daß Sie's ehrlich meinen. Aber Sie verfehlen's. Sie wollen uns glorifizieren, und Sie ridikülisieren uns bloß.« Unter allem, was ihm je gesagt worden ist, haben diese Worte wohl den größten Eindruck auf ihn gemacht; denn er war klug und unbefangen genug, das Wahre, das darin steckte, herauszufühlen.
    Alles in allem wiederholte sich, trotz seiner vorwiegend großen Wohlgelittenheit in der Partei, auch bei ihm die alte Erscheinung wieder, daß man bei Draußenstehenden, ja bei direkten Antagonisten besser abschneidet als bei den Angehörigen. So kam es denn auch, daß er sich bei der gegnerischen Presse ganz besonderer Beliebtheit erfreute, weil er eine ausgesprochene Persönlichkeit, ein unterhaltlicher Lebemann und vor allem ein guter Kamerad war. Er hatte als Schriftsteller und Zeitungsschreiber ein starkes Standesbewußtsein, also gerade das, was uns in Deutschland noch so sehr fehlt und unsern Beruf so schwer schädigt. Auf diesen Punkt hin angesehen, war er, während er für einen »Feudalen« galt, moderner als mancher der Modernsten.
     
Achtes Kapitel
     
Bernhard von Lepel
    Bernhard von Lepel
stand in einem starken Widerstreit zu Hesekiel; sie konnten sich gegenseitig nicht leiden, und da ich im Vertrauen beider war, so hörte ich von Lepel oft die Worte: »Hesekiel ist der reine Falstaff« und von Hesekiel ebenso oft: »Lepel ist der reine Don Quixote.« Man hat auf solche Worte nicht viel zu geben: jeder ist leicht untergebracht, und die Rubriken sind selten schmeichelhaft.
    Mir – sehr im Gegensatz zu dem von Antipathien gegen ihn erfüllten Hesekiel – war Lepel in hohem Maße sympathisch, und ich darf sagen, er erwiderte diese Gefühle. Durch länger als vierzig Jahre habe ich nur Wohlwollen von ihm erfahren; kleine störende Dinge, die sich aberziehen lassen, hat er mir aberzogen, wofür ich ihm bis auf diese Stunde dankbar bin, und wieder andre Dinge, kleine und große, weil er sah, »die sitzen zu tief«, hat er sein lebelang mit Nachsicht an mir beurteilt. Es war, glaub' ich, mancherlei, was ihn mir gewogen machte; mein Hauptverdienst aber lief wohl darauf hinaus, daß ich von Anfang an sein Wesen begriff, vor allem aber seinen Humor. Er war ein wirklicher Humorist, von jener feinsten Art, die meist gar nicht verstanden oder wohl gar mißverstanden wird. Abgesehen davon, daß ihm dieser nicht verstandene Humor oft direktes Ärgernis schuf, empfand er nebenher noch eine ernsthafte und doch auch wieder das Komische streifende Künstlertrauer darüber, gerade seine glänzendste gesellschaftliche Seite nur immer sehr ausnahmsweise gewürdigt zu sehen, und daß ich der war, der diese feinen Dinge jederzeit mit dankbarster Zunge kostete: das gewann mir recht eigentlich sein Herz. Er sammelte Geschichten für mich, erst um mir und dann gleich hinterher auch um sich selber eine Freude zu machen, eine Freude über meine Freude. »Ich seh' dich so gerne lachen«, hab' ich ihn wohl hundertmal sagen hören. Gleich in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft hatten wir uns in dem Satz gefunden: »Alle Geschehnisse hätten nur insoweit Wert und Bedeutung für uns, als sie uns einen Stoff abwürfen.« Noch in den Tagen, die dem achtzehnten März und dem bald darauf erfolgenden Abmarsch der Garden nach Schleswig-Holstein vorausgingen, waren wir aufs neue darüber einig geworden und hatten unsern Dichterbund auf dieses Dogma hin abermals besiegelt. Wenige Wochen später wurde das Danewirk durch unsere Garden erstürmt, und Lepel war mit dabei. Noch am selben Abend schrieb er mir von Schleswig aus einen kurzen Brief, wohl eigentlich nur, um in Erinnerung an unser Dogma mit den Worten zu schließen: »Übrigens hab' ich dir zu bekennen, daß ich, als wir bis auf dreihundert Schritt heran waren, ganz drüber nachzudenken vergaß, ob es einen Stoff abwürfe oder nicht.« 9
    Es war ihm, wie schon angedeutet, immer eine große Freude,

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