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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Freund des Hauses und bald auch der Verlobte von Heinrich von Mühlers Schwester Henriette. Die Vermählung fand 1836 statt. Drei Jahre später – er war inzwischen Kammergerichtsrat geworden, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb – trat er in den Tunnel. Als ich I844 Mitglied wurde, stand Wilhelm von Merckel schon in hohem Ansehen. Ich sah mich von Anfang an weniger durch Wort und Tat als durch sein Auge, das freundlich auf mir ruhte, beachtet und beinah ausgezeichnet. Es hing das wohl damit zusammen, daß er, über alles andere hinaus, in erster Reihe von Grund aus
human
war und in seinem tief eingewurzelten Sinne für das Menschliche, sich mit relativen Nebensächlichkeiten wie Standesunterschiede, Wissens- und Bildungsgrade gar nicht beschäftigte. »Was ist das für ein
Mensch
«, nur auf
das
hin gab er sich Antwort, und wenn diese günstig lautete, so hatte der Betreffende gewonnen Spiel. Er war das Gegenteil von dem, wofür unser Berliner Jargon jetzt allerlei groteske Bezeichnungen hat, Bezeichnungen, unter denen »Mumpitz« noch als das Zitierbarste gelten kann. Alles, was ein preußischer Patent- und Schablonenmensch mit mehr oder weniger Berechtigung gegen mich hätte beibringen können, existierte für ihn nicht oder war ihm ein Grund mehr, einem armen Jungen von Anfang an seine Liebe zuzuwenden. Und hinter meinem Rücken lieh er diesem seinen Gefühl auch Worte. Mein guter Lepel, der die schöne, hierlandes so seltene Tugend hatte, sich zu freuen, wenn einer gelobt wurde, hinterbrachte mir die guten Worte, und alle sind mir im Gedächtnis geblieben. Ich werde mich aber hüten, sie hier niederzuschreiben.
    Es ging das so durch Jahre hin. Ich hatte mich seinerseits allerhand kleiner Auszeichnungen zu erfreuen, aber es kam zu keinem persönlichen Verkehr, bis das Jahr 1850 auch darin Wandel schuf. Unmittelbar nach der Schlacht bei Idstedt ging ich von Berlin fort, um, wie so viele, die mit ihrem Leben nichts Rechtes anzufangen wußten – ein Fall, der bei mir, der ich damals im fünften Jahre verlobt war, eminent zutraf –, in die schleswig-holsteinische Armee einzutreten. Was von patriotischem Gefühl so nebenher noch mit unterlief, davon will ich hier nicht reden. Ich nahm von den Berliner Freunden Abschied, natürlich auch vom Tunnel, wo man mir, eh ich noch allen ein Lebewohl gesagt hatte, ganz en passant erzählte, daß unser »Immermann« (W. von Merckel) Chef der ministeriellen Preßabteilung, des sogenannten »Literarischen Bureaus« geworden sei. Bei der Aufregung, in der ich mich befand, war ich ziemlich gleichgültig gegen diese Mitteilung, die ich nur so obenhin mit anhörte, nicht ahnend, welche Bedeutung gerade sie für mich gewinnen sollte. Den 31. Juli brach ich auf. Ich installierte mich in Altona, kam aber über diese Etappe nicht hinaus, denn schon den zweiten Tag danach erreichte mich ein eingeschriebener Brief von halb dienstlichem Charakter, in dem der neue Chef der ministeriellen Preßabteilung, W. von Merckel, mir eine diätarische Stellung in seinem Literarischen Bureau anbot. Auch die Summe, die mir bewilligt werden könne, war genannt. Das alte »Jetzt oder nie« stand mir sofort vor der Seele; der Egoismus war stärker als der Patriotismus, ich nahm an, und ehe der Herbst auf die Neige ging, war ich als »Diätar im Preßbureau« installiert und sogar verheiratet. Aber wie mir kluge Leute vorausgesagt hatten – es dauerte nicht lange: zwei Monate später flog die ganze ministerielle Preßabteilung, wenigstens in ihrer damaligen, aus der Radowitz-Zeit stammenden Zusammensetzung in die Luft, und nur
eine
Tatsache von in gewissem Sinne sehr zweifelhaftem Werte blieb übrig: meine Verheiratung. Es sah schlimm aus. Aber das Schlimme hatte doch auch sein Gutes, und dies eine Gute war, daß Merckel von ebendiesem Augenblick an meine Frau und mich sozusagen als »sein Ehepaar« ansah, das ohne seinen so gutgemeinten Schreibebrief nach Altona hin gar nicht existieren würde, weshalb er denn auch für dasselbe zu sorgen habe. Seine Hülfe wurde nun zwar durch mich nicht angerufen – was er mir wohl auch zum Guten hin angerechnet haben wird –, aber auch ohne diesen Anruf war die Hülfe jederzeit da, vor allem dadurch, daß ich mich moralisch immer an seiner und seiner Frau Hand über Wasser halten konnte.
    Zu dieser Zeit war es auch, daß ich in sein Haus kam, und da die Krisis verhältnismäßig rasch vorüberging, so brachen, als ich den Kopf wieder oben hatte, sehr

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