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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sollst meine Frau werden.« Es war ihm auch Ernst damit, und das kleine Fräulein wie ein Taufkind auf seine beiden Arme legend, trug er es vom Theater in seine Wohnung hinüber. Tags darauf war Trauung, und bald nachdem das junge Ding vierzehn Jahre geworden war, wurde eine Tochter geboren. Diese Tochter erhielt den Namen Philippine, Seraphine wäre vielleicht richtiger gewesen, denn man merkte, daß es eines Kindes Kind war. Philippine war so klein und zart, daß man die Lebensfähigkeit des Kindes bezweifelte und zu ganz ungewöhnlichen Prozeduren schritt. Man wickelte das kleine Wesen in Watte, tat dies Paket in ein großes Glas und stellte es in eine Ofenröhre. Die Wärme mußte für Nachreife sorgen. Das Kind gedieh auch. Aber es blieb doch sehr zart. Das alles war 1810. Drei Jahre später war es mit dem Königreich Westfalen vorbei, Jérôme wurde flüchtig, und auch sein Hoftheaterdirektor ging in die Welt, von Stadt zu Stadt ziehend. Es kamen nun die sieben magern Jahre, und als sie um waren, kamen neue. Die Sohmsche Familie war inzwischen angewachsen und bestand, außer dem Ehepaare, noch aus drei Kindern: älteste Tochter, ein Sohn und wieder eine Tochter. Da kam dem alten Sohm der geniale Gedanke, diese fünf Personen als eine »Truppe« anzusehen, mit der es sich vielleicht verlohne, sein Glück selbständig zu versuchen. Er brauchte dann wenigstens keine Gagen zu zahlen. Alles kam darauf an, ein gutes Repertoire zusammenzustellen: einaktige Schwänke, Szenen aus größeren Schau- und Trauerspielen und kleinere Deklamationsstücke, deren Aufführung sich mit Hülfe dessen, was ihm an Requisiten zu Gebote stand, leicht ermöglichte. Sein Vertrautsein mit diesen Dingen ließ auch alles glücklich zustande kommen, und so zog er denn mit seiner Familie, die zugleich seine »Truppe« war, aufs neue durch die deutschen Lande. Ganz kleine Städte, bis zu zweitausend Einwohnern, erwiesen sich als bestes Aktionsfeld, und seine Tochter Philippine, die mittlerweile zehn oder zwölf Jahr alt geworden war, war zugleich Wunderkind und Gegenstand der Teilnahme. Dichtungen, in denen das Rührsame vorherrschte, bildeten ihre Spezialität. Auf diese Tochter stellte sich schließlich alle Hoffnung, und als sie sechzehn Jahr alt war, rechnete sich der Alte heraus, daß ein Engagement dieses seines ältesten Kindes an irgendeinem Hof-oder Stadttheater doch wohl einträglicher sein würde als das Ziehen und Wandern von Ort zu Ort. Er faßte dies immer ernster ins Auge, und 1826 sah er seine Bemühungen in Erfüllung gehn: Philippine wurde seitens des Magdeburger Theaters engagiert, dessen gutmütiger Direktor den Rest der Familie – Vater Sohm war als »alter Moor« und ähnliches immer noch ganz gut zu verwenden – mit in den Kauf nahm.
    Es war dies so ziemlich um dieselbe Zeit, wo sich auch mein Onkel August in Magdeburg eingefunden hatte. Die Sohmschen Damen, Mutter und Tochter – die Mutter selbst erst dreißig Jahre alt –, begriffen sofort die Situation und kamen den bald sich einstellenden Huldigungen des jungen Berliners freundlichst entgegen. Nur der Alte zeigte sich kühl; so herunter er auch war, so war er doch an Charakter und Klugheit der Überlegene und erkannte mit dem scharfen Blick eines Mannes, der gerade in seinen tollen Jahren viel gesehen und erlebt hatte, woran es dem Umwerber seiner Tochter gebrach. Er sah ganz deutlich, daß es ein Haselant war, ein Redensartenmensch, der alles haben mochte, nur nicht Charakter und Gesinnung. Andrerseits war Papa Sohm aber auch gescheit genug einzusehen, welche Vorteile solche äußerlich gute Partie nicht bloß seiner Tochter, sondern der ganzen Familie bringen mußte. So gab er denn schließlich, trotz aller Bedenken, nach und forderte nur das eine, daß es mit der Schauspielerei vorbei sein müsse. »Glaub Er mir, Er ist gar kein Schauspieler und dank' Er Gott, daß Er keiner zu sein braucht – Er war ja wohl mal Kaufmann; fang Er doch wieder so was an, dann will ich Ihm meine Tochter geben.« Etwas von der Richtigkeit dieser Worte dämmerte wohl auch in dem glücklich Unglücklichen, an den sie sich richteten, und die Liebe zu der seraphinischen Philippine, die klug genug war, sich sehr reserviert zu halten, tat das übrige. Der Liebhaber ging auf alles ein, was der Alte gefordert hatte, der Schauspielerei wurde Valet gesagt, an die Verlobung schloß sich bald die Hochzeit, und 1828 zog das neuvermählte Paar in seine mittlerweile gemietete Berliner Wohnung

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