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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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er, immer heftiger werdend, die Schalen seines Zornes über meinen unglücklichen Hauptmann aus. Nichts war gut, und es gereicht mir noch in diesem Augenblick zum Troste, daß wenigstens meiner in die Irre gegangenen Patrouille gar nicht dabei gedacht wurde; die Hauptfehler –
wenn
es Fehler waren, denn auch Bataillonskommandeure können irren – schienen nach ganz anderer Seite hin zu liegen. Armer Hauptmann! Da stand er nun am rechten Flügel, die Augen zur Erde gerichtet, mit einem Ausdruck von Bitterkeit und Sorge, ja auch von Sorge, weil er, neben dem Tadel, auch noch allerhand anderes Unliebsame mit herausgehört haben mochte. Das furchtbar Schwere dieses so beneideten und auch so beneidenswerten Berufes kam mir in jener Minute zu vollem Bewußtsein. Immer schweigen und sich höchstens an dem Satze »Heute mir, morgen dir« aufrichten zu müssen – das ist hart und nicht jedermanns Sache. Man muß es hinnehmen wie sein Schicksal oder jene berühmte »Wurschtigkeit« haben, die Lob und Tadel gleichmäßig als Ulk auffaßt – sonst geht es nicht.
    Im Sommerhalbjahr, oder was dasselbe sagen will, solang ich noch kein »Avancierter« war, beschränkte sich mein Ehrgeiz, was den Wachdienst angeht, darauf, auf die »Schloßwache« zu kommen, und zwar, um hier vielleicht, auf einem wegen seiner Spakerei verrufenen Korridor, der »Weißen Frau« zu begegnen. Ich kam denn auch wirklich auf »Schloßwache«, leider aber, statt auf den ersehnten Korridor, in das architektonisch berühmte Eosandersche Portal, wo es, da es gerade ziemlich windig war, furchtbar zog. Die Folge davon war, prosaischerweise, daß ich statt mit der »Weißen Frau« mit einer drei Tage später sich einstellenden dicken Backe abschloß. So verlief der sommerliche Wachdienst. Im Winterhalbjahr aber, ich war inzwischen mit den Tressen ausgerüstet, fielen mir verschiedene Wachkommandos zu, zuletzt das »bei den Pulvermühlen«, die schon damals für unsicher galten. Von diesem Wachkommando, meiner militärischen Großtat, muß ich hier noch erzählen. Ende gut, alles gut.
    Ich erfuhr also eines Tages, daß ich für die Pulvermühlwache designiert sei – fatal genug. Was mir aber viel fataler war, war die Zubemerkung, »daß ich das Kommando nicht über Leute meiner eignen sechsten Kompanie, sondern über Mannschaften der fünften anzutreten hätte«. Das mag nun für einen altgedienten Unteroffizier nicht viel bedeuten, aber für einen jungen Freiwilligen, der, weil er ewig unsicher ist, auch nicht recht zu befehlen versteht, ist dies eine sehr wesentliche Beschwerung der Situation. Indessen, was half es? Vorwärts also! Bei gräßlichem Wetter tappten wir hinaus. Anfangs ging alles ganz leidlich; die Leute waren trätabel, und so kam der Abend heran. Ein rotblonder Westfale, Bulldoggenkopf, mit nicht allzu vielen, aber dafür desto größeren Sommersprossen im Gesicht, hatte draußen den Posten vorm Gewehr, und ich ließ mir, bei einer Blaklampe, von den Leuten allerhand aus ihrer Heimat erzählen, als plötzlich ein paar Zivilisten in größter Aufregung in die Wachstube kamen und um Hülfe baten: »In einer Schifferkneipe, hart am Kanal, gehe es drunter und drüber; ein Betrunkener sei da, mit ein paar Freunden, und drangsaliere den Wirt und seine Frau.« Das Lokal, um das sich's handelte, war ziemlich weit entfernt. Aber ich hatte keine Wahl und schickte also drei Mann ab, die denn auch nach einer halben Stunde wiederkamen und einen großen Kerl ablieferten, der übrigens kaum ein Kerl, sondern vielmehr ein brutaler Elegant war, gut gekleidet und sogar von einer Art Bildung. In seiner Trunkenheit entschlug er sich freilich aller Vorsicht, zu der, wie sich bald ergab, nur zu guter Grund für ihn vorlag. Im Wachtlokal war er nicht anders wie vorher in der Kneipe randalierte, schlug um sich und stellte sich schließlich vor mich hin, dabei mich anschreiend: »Himmelwetter, ich bin auch Soldat gewesen ... so geht das nicht, Herr Fähnrich ... Sie verstehen den Dienst nicht.« Alle solche Szenen sind mir immer gräßlich gewesen. Aber wenn sie da sind, amüsieren sie mich eigentlich. So war es auch diesmal, und ich kam in ein Lachen, bis ein Zwischenfall mich mit einemmal in eine sehr schwierige Lage brachte. Der Posten draußen vorm Gewehr, wahrscheinlich ein Gefreiter, also halbe Respektsperson, glaubte, – als das Toben da drinnen kein Ende nehmen wollte, daß er mir zur Hülfe kommen müßte, stürzte ohne weiteres in das Wachtlokal herein

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