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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und stieß dem Randaleur den Kolben derart vor die Brust, daß er in die Ecke taumelte. Das war nun alles sehr gut gemeint, aber doch eigentlich ganz unverschämt; er hatte draußen Posten zu stehen, statt ungerufen hereinzustürzen und mir seine gar nicht gewollte Hülfe aufzudrängen. Es hieß doch nicht viel was anderes als wie: »Der Freiwillige weiß nicht mehr aus noch ein, da muß ich einspringen« – und so war ich denn in der unangenehmen Lage, daß ich meinen Hülfebringer andonnern und wieder an seinen Posten 'raus verweisen mußte. Glücklicherweise war er Soldat genug, um gleich zu gehorchen. Der Randaleur aber wurde bei Tagesanbruch nach der Stadtvogtei hin abgeliefert und wurde daselbst von den Beamten als »alter Bekannter« begrüßt, als Radaubruder, Händelsucher und ganz besonders als Falschspieler. Mir selbst gratulierte man zu dem Fange.
    Wochen vergingen, und ich hatte die ganze sonderbare Szene schon wieder vergessen, als sie mir noch einmal in Erinnerung gebracht wurde. Draußen tanzten Schneeflocken, während es in meiner Mansardenwohnung in der Jüdenstraße schon dunkelte. Vor mir lag »Childe Harold«, in dem ich gerade gelesen, und ich schickte mich eben an, mich mehr ans Fenster zu setzen, um da für meine Lektüre noch einen letzten Rest von Licht aufzufangen, als draußen die Klingel ging. Ich stand auf, um nachzusehen, wer in dieser Dunkelstunde mich noch besuchen wolle, und sah auf dem kleinen Flur draußen drei kolossale Kerle stehen, die durch die Schafpelze, die sie trugen, womöglich noch größer wirkten.
    »Sie sind der Herr Unteroffizier?«
    Immer noch ahnungslos, um was es sich handle, sagte ich: »Ja, der bin ich. Aber kommen Sie 'rein; es ist kalt hier draußen.«
    Und nun folgten sie mir in mein Zimmer zu weiterer Ansprache.
    »Ja«, fuhr drinnen der Sprecher fort, »wenn Sie der Herr Unteroffizier sind ... wir sind nämlich so gut wie seine Bekannten, alte Bekannte von ihm, und wenn er nu vorkommt und Sie von ihm aussagen sollen ...«
    Jetzt dämmerte mir's und, wie ich sagen muß, nicht gerade zu meiner Freude. Wenn die Kerle da kamen, um Rache an mir zu nehmen! ... Aber Courage! Ich berappelte mich also und sagte mit so viel Unbefangenheit, wie sich in der Eile auftreiben ließ: »Nun gut, ich verstehe; Sie sind also seine Freunde ...«
    »Ja, wir sind so seine Freunde, und das können wir sagen: er ist nich so schlimm. Und wenn er nun vorkommt un Sie gegen ihn aussagen sollen ...«
    »Ja, hören Sie, ich muß aber doch sagen, wie es ist.«
    »Nu ja, nu ja ... man bloß nich zuviel ... Und wir würden Ihnen auch gerne ...«
    Diese Worte, so dunkel sie waren, waren von einer Bewegung begleitet, die mir keinen Zweifel darüber ließ, daß man mir einen Taler oder dergleichen in die Hand stecken wollte ...
    Das gab mir meine ganze Haltung wieder, und ich versprach in rasch wiederkehrender guter Laune, daß ich ihm nichts besonders Schlimmes einbrocken wolle.
    Diese Zusicherung schien die Leute auch zu beruhigen, und unter Verbeugung gegen mich schickten sie sich an, in guter Ordnung ihren Rückzug anzutreten. Aber als sie schon beinah draußen waren, kehrte der eine noch einmal um, schudderte sich und rieb sich mit Ostentation die Hände, wie wenn ihn bitterlich fröre, was aber bei seinem dicken Pelz ganz unmöglich und in der Tat nichts als eine diplomatische Gesprächsüberleitung war, und sagte: »Herr Unteroffizier, en bisken kalt is et hier, en paar Kiepen Torf ... wat meenen Sie? ...«
    »Nu, schon gut«, sagte ich. »Lassen wir's. Und wie ich Ihnen gesagt habe, ich werde nichts Schlimmes gegen ihn vorbringen.«
    So verlief es denn auch.
    Das Angebot von ein »paar Kiepen Torf« aber war der Schlußakt meines Dienstjahres bei »Kaiser Franz«.
     
    Ostern 45 schloß dies Dienstjahr ab, währenddessen ich, außer meiner vorgeschilderten Reise nach England, noch manch anderes, das nicht gerad im Bereiche des dienstlich Soldatischen lag, erlebt hatte. Darunter war vor allem mein Eintritt in die gerade damals in Blüte stehende Dichtergesellschaft: »
Der Tunnel über der Spree
«.
    Über diesen im nächsten Abschnitt.
     

Der Tunnel über der Spree
     
Aus dem Berliner literarischen Leben der vierziger und fünfziger Jahre
Erstes Kapitel
Der Tunnel, seine Mitglieder und seine Einrichtungen
    Der Tunnel, oder mit seinem prosaischeren Namen der »Berliner Sonntagsverein«, war 1827 durch den damals in Berlin lebenden M. G. Saphir gegründet worden. Diesem erschien in

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