Von Zwanzig bis Dreißig
seinen ewigen literarischen Fehden eine persönliche Leibwache dringend wünschenswert, ja nötig, welchen Dienst ihm, moralisch und beinahe auch physisch, der Tunnel leisten sollte. Zugleich war ihm in seiner Eigenschaft als Redakteur der »Schnellpost« an einem Stamm junger, unberühmter Mitarbeiter gelegen, die, weil unberühmt, an Honoraransprüche nicht dachten und froh waren, unter einer gefürchteten Flagge sich mitgefürchtet zu sehen. Also lauter »Werdende« waren es, die der Tunnel allsonntäglich in einem von Tabaksqualm durchzogenen Kaffeelokale versammelte: Studenten, Auskultatoren, junge Kaufleute, zu denen sich, unter Assistenz einerseits des Hofschauspielers Lemm (eines ganz ausgezeichneten Künstlers), andererseits des von Anfang an die Werbetrommel rührenden Louis Schneider, alsbald auch noch Schauspieler, Ärzte und Offiziere gesellten, junge Leutnants, die damals mit Vorliebe dilettierende Dichter waren, wie jetzt Musiker und Maler. Um die Zeit, als ich eintrat, siebzehn Jahre nach Gründung des Tunnels, hatte die, Gesellschaft ihren ursprünglichen Charakter bereits stark verändert und sich aus einem Vereine dichtender Dilettanten in einen wirklichen Dichterverein umgewandelt. Auch jetzt noch, trotz dieser Umwandlung, herrschten »Amateurs« vor, gehörten aber doch meistens jener höheren Ordnung an, wo das Spielen mit der Kunst entweder in die wirkliche Kunst übergeht oder aber durch entgegenkommendes Verständnis ihr oft besser dient als der fachmäßige Betrieb.
Und so bestand denn ums Jahr 1844 und noch etwa fünfzehn Jahre darüber hinaus der Tunnel, seiner Hauptsache nach aus folgenden, hier nach Kategorien geordneten und zugleich mit ihrem Tunnel-Beinamen ausgerüsteten Personen:
Assessoren, Professoren, Doktoren
Assessor
Heinrich von Mühler
(Cocceji), der spätere Kultusminister.
Assessor Dr.
Heinrich Friedberg
(Canning), der spätere Justizminister.
Assessor Dr.
E. Streber
(Feuerbach), später – nachdem er durch Heranziehen des »E« seines Vornamens an seinen eigentlichen Namen den nun spanisch klingenden Namen Estrebér (Akzent auf der letzten Silbe) hergestellt hatte – Minister in Costarica.
Assessor
Wilhelm von Merckel
(Immermann), Schwager von H. Von Mühler, starb als Kammergerichtsrat.
Assessor
Ribbeck
(Matthisson), Bruder des Philologen Professor Ribbeck in Leipzig, starb als Vortragender Rat und Direktor im Ministerium des Innern.
Assessor Graf
Henckel von Donnersmarck
(Ulrich von Hutten), starb früh.
Assessor
von Bülow
(Tasso), später Generalkonsul in Smyrna.
Assessor Dr.
Erich
(Cujacius), später Regierungsrat und literarisch-politischer Berichterstatter Kaiser Wilhelms, namentlich über die Parlamentssitzungen.
Assessor
Müller
(Ernst Schulze), Rendant an der Charite.
Assessor
Hermann Kette
(Tiedge), später Präsident der Generalkommission, erst in Frankfurt a. d. O., dann in Kassel.
Assessor
Karl Kette,
später Justizrat und Rechtsanwalt am Kammergericht.
Kollegienassessor
Baron Budberg
(Puschkin), Kurländer und – wenn ich nicht irre – der russischen Gesandtschaft atrachiert.
Dr.
Franz Kugler
(Lessing), Professor, Geheimrat im Kultusministerium.
Dr.
Franz Kugler,
Neffe des vorigen, Redakteur an der »Nationalzeitung«.
Dr.
Karl Bormann
(Metastasio), Provinzialschulrat.
Dr.
Otto Gildemeister
(Camoëns), später Senator und Bürgermeister von Bremen.
Dr.
Adolf Widmann
(Macchiavell), später Professor in Jena. Von 1866 ab bis an seinen Tod Meister der St. Johannis-Loge zur Beständigkeit.
Dr.
Heinrich von Orelli
aus Zürich (Zschokke),Freund Widmanns und Scherenbergs, Philosoph und Kritiker, starb zu Berlin.
Dr.
Rudolf Löwenstein
(Spinoza), neben Kalisch und Ernst Dohm Redakteur des »Kladderadatsch«.
Dr.
Adolf Löwenstein
(Hufeland), Vetter Rudolf Löwensteins, als Geheimer Sanitätsrat gestorben.
Dr.
Friedrich Eggers
(Anakreon), Redakteur des »Deutschen Kunstblattes«, später Professor am Polytechnikum.
Dr.
Karl Eggers
(Barkhusen), Senator in Rostock.
Offiziere
Major
Blesson
(Carnot), Herausgeber einer militärischen Zeitschrift, während der Befreiungskriege oder in den unmittelbar folgenden Jahren Adjutant Blüchers. 1848 stand er, bis zum Zeughaussturm, an der Spitze der Berliner Bürgerwehr.
Hauptmann
von Glümer
(Archenholz), bei Ausbruch des siebziger Krieges Kommandierender der 13. (westfälischen), später, bei Nuits und an der Lisaine, Kommandierender der badischen Division.
Hauptmann
von Woyna,
bei Ausbruch
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