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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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etwas altfränkisches Goethisches zum Ausdruck, das dem Tunnel-Ton widersprach und um so mehr Bedenken wachrief, als, der Altadligen ganz zu geschweigen, auch die verschiedentlich vorhandenen Minister- und Oberpräsidentensöhne – die dann später berufen waren, selber in hohe Stellungen einzurücken – keine Spur davon an sich hatten. So kam es, daß Kugler immer Gegenstand eines ihm halb verdrießlich entgegengebrachten Respektes war, immer ein halber Fremdling. Er empfand dies auch und hätte, bei dem Freundschafts- und Liebesbedürfnis, das er hatte, gewiß viel darum gegeben, dies ändern zu können; aber das war ihm nicht möglich. So liebevoll und edlen Herzens er war, so steif und scheu war er, wenigstens da, wo's zu repräsentieren galt. Daß er andernorts auch anders sein konnte, davon erzähl' ich weiterhin.
    Er war, durch Jahre hin, teils um seiner selbst, aber wohl mehr noch um Heyses willen, dessen Aufblühen er mit fast väterlicher Liebe verfolgte, ein ziemlich regelmäßiger Besucher des Tunnels, der ihm manche Beisteuer verdankte, Beisteuern, über die die verschiedenen Jahrgänge der »Argo«, eines Jahrbuches, das von 1854 bis 1857 erschien, wohl am besten Auskunft geben dürften. Ob all das in dem Jahrbuch Erschienene – das, von mehreren kunst- und literaturgeschichtlichen Untersuchungen abgesehen, die für die Kuglersche Produktion ganz charakteristischen Überschriften: »Kleopatra«, »Cyrus (ein Fragment)«, »Friede«, »Das Opfer«, »Götterjugend« etc. trug –, ob all diese Sachen im damaligen Tunnel zur Vorlesung gekommen sind, vermag ich nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. Aber wenn es geschehen, wie höchst wahrscheinlich, so läßt sich aus den bloßen Titeln schon schließen, daß an eine große Wirkung nicht zu denken war. Strachwitz mit der »Jagd des Moguls« oder Scherenberg mit seinem »Zechlied der Fremdenlegion« oder Lepel mit der dänisch-schleswigschen Gruselballade von »König Erich und Herzog Abel« konnten den Tunnel packen; aber mit »Götterjugend« oder »Cyrus, ein Fragment«, war kein Erfolg einzuheimsen. Aus so feinen Leuten der Tunnel bestand, so waren sie doch nicht fein genug, vom Stoff absehen und eine Sache lediglich um ihrer Kunstform willen würdigen zu können. Vornehme Lyrik versagte deshalb überhaupt, und war sie nun gar »klassisch«, so schon mit Sicherheit.
    Unter den mannigfachen Sachen, die Kugler während seiner zehnjährigen Mitgliedschaft zu Nutz und Frommen des Tunnels beisteuerte, waren aber, außer den vorgenannten kleineren Arbeiten, auch größere: Dramen und Novellen.
    Von den Dramen, um zunächst von diesen zu sprechen, kamen: »Jacobäa«, »Die tatarische Gesandtschaft«, »Doge und Dogaressa«, szenenweise wohl auch »Pertinax« zur Vorlesung und begegneten dabei demselben nüchternen Respekt, der ihnen – ziemlich um dieselbe Zeit – auch auf der Bühne zuteil wurde. Große Wirkungen hervorzurufen, war ihm überhaupt nicht vergönnt; über einen Succès d'estime kam er nie recht hinaus, und was ihn mehr noch als diese halben Erfolge, die doch zugleich auch halbe Mißerfolge waren, schmerzen mußte, das waren die beständigen Nadelstiche, die, solang er mit dem Theater zu tun hatte, nicht ausbleiben wollten. Einmal waren es die Schauspieler, einmal die Verwaltungen. Er mochte sich durch sein Ministerialamt, das ihm, in Kunst-und speziell auch Theaterangelegenheiten, eine Art ofizieller Autorität gab, gegen Unliebsamkeiten geschützt glauben; aber da kannte er die Theaterleute schlecht, für die, ganz im Gegenteil, die Vorstellung, »das ist ein Kunst-Geheimrat«, nur etwas Herausforderndes hatte. Seine stets würdige Haltung verdarb es vollends. Eines Tages, als sein Trauerspiel »Doge und Dogaressa« einstudiert werden sollte, war er zugegen und ging gleich bei der ersten Probe von Wünschen zu Ratschlägen über, was die schon vorhandene flaue Stimmung nicht besserte. Zum Unglück traf es sich auch noch, daß mitten in einer wichtigen Szene dem berühmten schönen Hendrichs, der natürlich eine Hauptrolle hatte, sein Spazierstöckchen, mit dem er während des Spiels beständig umherfuchtelte, aus der Hand glitt und nicht bloß zu Boden, sondern durch einen ziemlich breiten Spalt im Podium auch noch in die Versenkung hinabfiel. Sofort geriet alles ins Stocken. Hendrichs erklärte rund heraus, daß er ohne das Stöckchen nicht weiterspielen könne, sah sich dabei – vielleicht aus Schändlichkeit gegen den Geheimrat und

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