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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nicht allzu ernsthaft gemeint – aufforderte, lass' ich als eine Stilprobe hier folgen:
     
    Liebchen, komm, vor dieser Zeit, der schweren,
    Schutz zu suchen in den Kordilleren,
    Aus der Anden ew'gem Felsentor
    Tritt vielleicht noch kein Konstabler vor.
     
    Statt der Savignys und statt der Uhden
    Üben dort Justiz die Botokuden,
    Und durchs Nasenbein der goldne Ring
    Trägt sich leichter als von Bodelschwingh.
     
    Ohne Wühler dort und Agitator
    Frißt uns höchstens mal ein Alligator,
    Schlöffel Vater und selbst Schlöffel Sohn
    Respektieren noch den Maranon.
     
    Dort kein Pieper, dort kein Kiolbassa,
    Statt der Darlehnsscheine Gold in Kassa,
    Und in Quito oder Santa Fé
    Nichts von volksbeglückender Idee.
     
    Laß die Klänge Don Juans und Zampas,
    Hufgestampfe lockt uns in die Pampas,
    Und die Rosse dort, des Reiters wert,
    Sichern dich vor Rellstabs Musenpferd.
     
    Komm, o komm; den heimatlichen Bettel
    Werfen wir vom Popokatepettel,
    Und dem Kreischen nur des Kakadu
    Hören wir am Titicaca zu.
     
    Ein einziger Tunnelianer, Baron Wimpffen (Fouqué), wollte von diesem Übermut nichts wissen und wies sogar auf die Statuten hin, »die derlei Dinge verböten«; er fiel aber damit total ab, und zwar am meisten bei den Konservativen und Altministeriellen, bei Merckel, Lepel, Friedberg, die sich das Gedicht mitnahmen und es am selben Abend noch beim alten Minister von Mühler – dem Justizminister, Vater des Kultusministers – vorlasen.
    Das war im Sommer 1848. In demselben Jahre noch, ich weiß nicht mehr in welcher Veranlassung, kamen mir Bischof Percys »Reliques of ancient English poetry« und bald danach auch Walter Scotts »Minstrelsy of the Scottish border« in die Hände, zwei Bücher, die auf Jahre hin meine Richtung und meinen Geschmack bestimmten. Aber mehr als der mir aus ihnen gewordene literarische und fast möchte ich sagen Lebensgewinn gilt mir der unmittelbare
Genuß,
den ich von ihnen gehabt habe. Sachen sind darunter, wie zum Beispiel »Der Aufstand in Northumberland« – zwei längere Balladen aus der Zeit der Königin Elisabeth –, die mich noch heute mit Entzücken erfüllen, worin sich freilich immer eine leise Mißstimmung darüber mischt, daß ich über diese, meiner Gedichtsammlung angefügten herrlichen Sachen niemals auch nur ein sie bloß kurz erwähnendes Wort gehöre habe, was sie doch am Ende verdienen. Über das, was man bloß übersetzt hat, kann man allenfalls so sprechen.
    Ich gehörte dem Tunnel unausgesetzt ein Jahrzehnt lang an und war während dieser Zeit, neben Scherenberg, Hesekiel und Heinrich Smidt, das wohl am meisten beisteuernde Mitglied des Vereins. Die große Mehrzahl meiner aus der preußischen, aber mehr noch aus der englisch-schottischen Geschichte genommenen Balladen entstammt jener Zeit, und manche glückliche Stunde knüpft sich daran. Die glücklichste war, als ich – ich glaube bei Gelegenheit des Stiftungsfestes von 1853 oder 54 – meinen »Archibald Douglas« vortragen durfte. Der Jubel war groß. Nur einer ärgerte sich und sagte: »Ja, wer so vorlesen kann, der muß siegen.« Der betreffende Neidhammel versah es aber damit total, und statt mich zu deprimieren, hob er mich umgekehrt in meinem Glücke nur noch auf eine höhere Stufe. Für gewöhnlich nämlich hieß es, ich läse meine Sachen so furchtbar schlecht, so pathetisch und so monoton vor, daß ich mir alles immer selbst verdürbe. Und nun war ich mit einemmal auch als Vorleser proklamiert! Das tat mir ganz besonders wohl. Über das »andre« war ich immer weniger in Sorge.
    Im Sommer 1855 verließ ich Berlin und war jahrelang fort. Als ich dann später wieder eintrat, war ich dem Tunnel entfremdet und nahm nur sehr selten noch an seinen Sitzungen teil. Zuletzt schlief es ganz ein. Ob
ich
mich oder ob sich der Tunnel verändert hatte – ich weiß es nicht; aber das letztere will mir das Wahrscheinlichere bedünken.
     
    Ich wende mich nun in diesem und einer ganzen Reihe folgender Kapitel den einzelnen Mitgliedern des Tunnels zu, die nach Namen und Beruf schon eingangs von mir aufgezählt wurden. Über einige, Scherenberg, Friedberg, Widmann, Orelli, Schramm, habe ich schon vor Jahren in meinem Buche: »Christian Friedrich Scherenberg« gesprochen, weshalb alle diese hier übergangen werden sollen. In betreff anderer, was ich hier auch vorauszuschicken habe, könnte es freilich auffallen, daß ich Berühmtheiten – fast mit alleiniger Ausnahme von Storm – verhältnismäßig kurz,

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