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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Dichter – von seinen Kollegen unterstützt, und so stieg man denn unter Hendrichs' persönlicher Führung in den Kellerorkus hinunter, um da die Badine zu suchen. Erst als diese wieder da war, konnte das Spiel fortgesetzt werden.
    Aber es kam noch schlimmer. An die Stelle des 1851 aus seinem Amt scheidenden Herrn von Küstner war Herr von Hülsen Theaterintendant geworden, der – vollkommener Kavalier, der er im übrigen sein mochte – doch vor allem in der Absicht, »wieder Ordnung zu schaffen«, ins Amt getreten war, unter welcher Vorgabe sich denn auch Kugler eines Tages benachrichtigt sah, »daß ihm, statt der bisher bewilligten zwei Parkettbillets, fernerhin nur
eins
zur Verfügung gestellt werden könne«. Vielleicht war der neue, mancherlei Mißbräuche vorfindende Generalintendant zu solcher Strenge berechtigt; aber daß er dies Einschränkungsprinzip auch auf einen Mann ausdehnte, der in seiner amtlichen Eigenschaft nicht nur über Theaterdinge Beschlüsse zu fassen, sondern auch vieles bereits in andere Wege geleitet hatte –
das
war einfach ein Affront, und zwar ein ganz überlegter. Die neue Generalintendanz hatte sich in ihrer Unabhängigkeit legitimieren und der bloß
ministeriellen Halb-Autorität
gegenüber ihren
hofamtlichen
Charakter betonen, vielleicht auch der Zumutung, es mit etwaigen neuen Kuglerschen Dramen zu versuchen, ein für allemal einen Riegel vorschieben wollen.
    Ich sagte schon, daß außer den Dramen auch Kuglersche Novellen im Tunnel zum Vortrag kamen. Mit diesen war er etwas glücklicher. Das galt besonders von einer kulturhistorischen Novelle, die den Titel »
Chlodosinda
« führte. Schauplatz das westgotische Spanien ums Jahr 660. Kugler hat hier das Bild einer weit zurückliegenden Zeit in Briefen vor uns entrollt. Ob er daran recht tat, stehe dahin. Es hat Vorzüge, noch mehr Nachteile. »Dem allzeit hochgeliebten und seines apostolischen Sitzes höchst würdigen Herrn Nicasius entbietet Veranus, Archipresbyter der ruhmreichen Kathedralkirche zu Toletum, in demutvoller Freundschaft seinen Gruß.« So beginnt es. Veranus erzählt nun seinem in Narbona (Narbonne) residierenden Bischofe Nicasius die politischen und Liebesintrigen am Hofe von Toledo. Chintila ist König, aber todkrank; wenn er heimgeht, wird der junge Tulga König werden, was nur erwünscht sein kann, weil seine Mutter Ingundis, die dann regieren wird, der Kirche treu ergeben ist. Es kommt aber anders. Der junge Tulga, König geworden, emanzipiert sich von dem Einfluß seiner Mutter sowohl wie von dem der gesamten Klerisei, weil er inzwischen eine große Leidenschaft zu
Chlodosinda
gefaßt hat, einer heidnischen Heroine, die der Kirche feindlich gegenübersteht. Wie selbstverständlich siegt die Kirche; die Schönheitsmacht Chlodosindas wird zu Hexerei gestempelt, und sie selbst, nachdem sie durch eine Feuer- und Wasserprobe gegangen, als Zauberweib verbrannt. Aber sie reißt nicht bloß Tulga, sondern die ganze Dynastie mit in ihr Verderben, ja, zuletzt auch noch den die Briefe nach Narbona schreibenden Archipresbyter Veranus, der, am Tode Chlodosindas schuld, zugleich von leidenschaftlicher Liebe zu ihr erfaßt, in einem ihm eine letzte Zuflucht gewährenden Bergkloster seinem Schicksal erliegt. Der Prior dieses Klosters, den Tod des Archipresbyters nach Narbona hin meldend, schreibt uns den letzten Bericht. All dies, trotz des mönchischen Kurialstils – an einzelnen Stellen sogar um desselben willen –, ist nicht ohne Wirkung und darf jedenfalls als ausgezeichnete künstlerische Arbeit gelten, trotzdem auch hier wieder, wie das immer Kuglers Schicksal war, von seiten des Publikums mehr die Schwächen als die Schönheiten empfunden wurden.
    In unseren Tagen, wo Scheffel, Dahn, Ebers den Weg für ein Vorgehen auf diesem oder ähnlichem Gebiete geebnet haben, würde er einer lebhafteren Anerkennung begegnet sein. Damals lag es ungünstiger. Es blieb auch hier wieder im wesentlichen bei einem Halberfolge, was den Verfasser, der sich seines Wertes wohl bewußt war, mit einem schmerzlichen Gefühl erfüllte. Er hätte, glaub' ich, seinen Kunsthistorikerruhm gern hingegeben, wenn er einen großen Dichtererfolg dafür hätte eintauschen können.
    Kuglers literarische Stellung im Tunnel, um eine schon eingangs gemachte Bemerkung zu wiederholen, war bei allem Respekt nicht hervorragend, und eine seinem ganzen Wesen anhaftende Steifheit ließ es auch im persönlichen Verkehr mit ihm zu keiner rechten Annäherung

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