Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
aber, der, in übrigens entzückendster Weise, das Gefühl hatte: »
Mir
gehört die Welt, und ich habe nicht Lust, allen möglichen Mittelmäßigkeiten zuliebe mit meiner gescheiteren Ansicht hinterm Berge zu halten« –, –, Heyse kümmerte sich wenig um die wunderlichen Heiligen, die gelegentlich, ohne jeden Beruf dazu, das große Wort führten und ihre Meinung durchsetzen wollten. Eine Sitzung hab' ich noch gegenwärtig, in der es zwischen unserm Jüngsten – Heyse – und einem öden alten Professor zum Zusammenstoß kam. Dieser, der den Schulmonarchenton nicht ablegen mochte, hatte, zu vielen kleinen Schwächen, auch
die,
von seinem Blättchen – das er, weil er es las, für was Besonderes hielt – durchaus abhängig und außerdem ein ausgesprochener Erfolganbeter zu sein. Er schwamm, Tag um Tag, im Strom seiner Zeitung und machte, nach der Anweisung derselben, jede Mode mit. Nun war damals gerade Bogumil Goltz in der Mode, dessen »Kleinstädter in Ägypten« ziemlich allgemein bewundert wurde, und weil allgemein, so natürlich auch von dem alten Professor. Im ganzen Tunnel dachte niemand an Widerspruch. Warum auch? Goltz war am Ende wirklich espritvoll und witzig. Aber zum Unglück war in der von mir erwähnten Sitzung auch Heyse zugegen, der über alle diese Dinge – ob er recht hatte, stehe dahin – sehr sehr anders dachte und in dem hypergeistreichen Goltzschen Originalstil nur mehr oder weniger Geschmacklosigkeit sah. Er antwortete denn auch dementsprechend, und als der andere mit einem »Erlauben Sie« dazwischenfahren wollte, schlug der jugendliche Gegner einen Überlegenheitston an, zu dem er in jedem Anbetracht berechtigt war, nur nicht in Anbetracht seiner Jahre. Dieser Umstand, infolge dessen, wie das immer geschieht, all die Alten für den Alten Partei nahmen, entschied schließlich zuungunsten Heyses, und so war denn die vorgeschilderte Szene, die nicht alleinstehend blieb, nicht eben angetan, ihm die Tunnel-Herzen dauernd zu sichern. Personen, die bei derartigen Streitfragen ihre Parteinahme lediglich in den Dienst der
Sache
stellen, gibt es immer nur wenig.
    Ich breche hier ab und erzähle nicht weiter von einem Leben, das, wie kein zweites, über das ich hier zu berichten habe, der Literaturgeschichte angehört. Es war ganz besonders im Hinblick auf
Heyse,
wenn ich schon im vorigen Kapitel hervorhob, daß ich über Unberühmtheiten verhältnismäßig viel und über Berühmtheiten – mit einer einzigen Ausnahme – nur wenig sagen würde.
     

Friedrich Eggers
     
    Friedrich Eggers
6 wurde bald nach mir Mitglied: ich hatte das Verdienst, ihn einzuführen. Er blieb im Tunnel fast dreißig Jahre lang, und nur wenige haben dem Verein länger angehört.
    Man hat in Eggers' Tunnel-Leben zwei Hälften voneinander zu scheiden. In der ersten Hälfte kam er nur zu halber Geltung; er nahm, weil zur Kugler-Gruppe gehörig, teil an den Ehren, die dieser Gruppe zuteil wurden, aber er sah sich durch ebendiese Zugehörigkeit doch auch gehemmt und benachteiligt. Das änderte sich erst, als er nach Heyses Übersiedlung nach München und nach Kuglers 1858 erfolgtem Tode von dem ehemaligen Triumvirat allein übrigblieb. Erst von diesem Augenblick an war er ganz und gar Tunnelianer und konnte dem Vereine seine ganz eigenartigen Talente widmen. Er war nämlich, weit über seine Kunst- und Literaturveranlagung hinaus, allem anderen vorauf ein
Gesellschaftsgenie,
das, in einem mir nicht zum zweiten Male begegneten Grade, die Gabe besaß, nicht bloß Vereine zu gründen, sondern auch durch Anwerbung neuer Mitglieder und Aufstellung neuer Programme den etwa matter werdenden Pulsschlag sofort wiederzubeleben. Er war ein großer Organisator im kleinen, eine Art Friedens-Carnot, unerschöpflich in Hülfsmitteln, und gab davon, noch kurz vor seinem Tode, die glänzendsten Beweise. Viele seiner jungen Freunde, zur Hälfte mecklenburgische Landsleute, zur andren Hälfte Schüler des Polytechnikums, an dem er Unterricht erteilte, waren mit in den Krieg gezogen, und diese jungen Leute durch Nachrichten in Verbindung mit der Heimat und durch Liebesgaben bei frischem Mut und fröhlichem Herzen zu erhalten, machte er sich durch den ganzen langen Winter 1870 auf 71 hin zur schönsten Lebensaufgabe. Damals hab' ich ihn lieben und bewundern gelernt. Er war um jene Zeit, halb wissenschaftlich, beständig mit der Frage beschäftigt, wie sich Zeitungen und Zigarren wohl am besten nachsenden ließen, und hatte die Kunst,

Weitere Kostenlose Bücher