Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
in Altona, was veranlaßte, daß er erst im Spätherbst in Potsdam eintraf, wohin man ihn, statt nach Schwedisch-Pommern, installiert hatte. Hier in Potsdam fand er eine gute Wohnung und gute Beziehungen. Die Damen schwärmten ihn an, und die Männer, wie gewöhnlich, mußten mit. Er hätte zufrieden sein können, aber er war es nicht und zog es vor, obschon er ganz unpolitisch war, mehr oder weniger den politischen Ankläger zu machen. Mit seiner kleinen, feinen Stimme ließ er sich über das Inferiore preußischen Wesens ganz unbefangen aus und sah einen dabei halb gutmütig, halb listig an, immer, als ob er fragen wolle: »Hab' ich nicht recht?« – Was wir Altpreußen uns auf diesem Gebiete gefallen lassen müssen und tatsächlich beständig gefallen lassen, spottet jeder Beschreibung. Storm war einer der Schlimmsten. Er blieb, aller auch von ihm anerkannten Guttaten ungeachtet, antipreußisch, und eine Stelle, die sich in Dr.
Paul Schützes
hübschem Buche »Theodor Storm, sein Leben und seine Dichtung« vorfindet, wird wohl ziemlich richtig aussprechen, woran Storm damals krankte. »Nicht leicht«, so heißt es da, »war es für eine Natur wie die seine, sich fremden Verhältnissen anzupassen. Er hatte den altgermanischen Zug, das Leben in der Heimat als Glück, das Leben in der Fremde als ›Elend‹ anzusehen. Heimisch hat er sich in dem ›großen Militärkasino‹ Potsdam nie gefühlt, und so gastlich man ihn auch aufnahm, die Potsdamer Jahre waren eine trübe Zeit für ihn. In den geschniegelten, überall eine künstlich ordnende Menschenhand verratenden Parks empfand er ein Verlangen nach dem Anblick eines
›ehrlichen Kartoffelfeldes, das mit Menschenleben und -geschick in unmittelbarem Zusammenhange steht‹

    Diese gesperrt [hier:
kursiv
] und mit Anführungszeichen gedruckten Worte sind sehr wahrscheinlich ein Zitat aus einem Stormschen Briefe. Sie haben für einen Märker etwas wehmütig Komisches. Denn wenn es überhaupt eine Sehnsucht gibt, die hierlandes leicht befriedigt werden kann, so ist es die Sehnsucht nach einem
ehrlichen Kartoffelfelde.
Storm war aber nicht zufriedenzustellen, was nicht an den »geschniegelten Parks« – es gibt für jeden vernünftigen Menschen kaum etwas Entzückenderes als Sanssouci –, sondern einfach in seiner Abneigung gegen alles Preußische lag. Preußen wird von sehr vielen als ein Schrecknis empfunden, aber Storm empfand dieses Schrecknis ganz besonders stark. Ich habe zahllose Gespräche mit ihm über dies diffizile Thema gehabt und bin seinen Auseinandersetzungen, wie dann später den gleichlautenden Auslassungen seiner Gesinnungsgenossen, jederzeit mit sehr gemischten Gefühlen gefolgt, mit Zustimmung und mit Ungeduld. Mit Zustimmung, weil ich das, was man Preußen vorwirft, oft
so
gerechtfertigt finde, daß ich die Vorwürfe womöglich noch überbieten möchte; mit Ungeduld, weil sich in dieser ewigen Verkleinerung Preußens eine ganz unerträgliche Anmaßung und Überheblichkeit ausspricht, also genau das, was man uns vorwirft. In Selbstgerechtigkeit sind die deutschen Volksschaften untereinander dermaßen gleichartig und ebenbürtig, daß, wenn schließlich zwischen ihnen abgerechnet werden soll, kein anderer Maßstab übrig bleibt als
der,
den uns ihre, das ganze Gebiet des Lebens umfassenden Taten an die Hand geben. Und wenn diese Taten zum Maßstab genommen werden sollen, wer will da so leichten Spieles mit uns fertig werden! Vieles in »Berlin und Potsdam« war immer sehr ledern und ist es noch; wenn's aber zum Letzten und Eigentlichsten kommt, was ist dann, um nur ein halbes Jahrhundert als Beispiel herauszugreifen, die ganze schleswig-holsteinische Geschichte neben der Geschichte des Alten Fritzen! Allen möglichen Balladenrespekt vor König Erich und Herzog Abel, vor Bornhöved und Hemmingstedt; aber neben Hochkirch und Kunersdorf – ich nehme mit Absicht Unglücksschlachten, weil wir uns diesen Luxus leisten können – geht doch dieser ganze Kleinkram in die Luft. Diesen Satz will ich vor Gott und den Menschen vertreten. Es liegt nun einmal so. Für alles das aber hatte der von mir als Mensch und Dichter, als Dichter nun schon ganz gewiß, so sehr geliebte Storm nicht das geringste Verständnis, und daß er dies Einsehen nicht hatte, lag nicht an »Potsdam und seinen geschniegelten Parks«, das lag an seiner das richtige Maß überschreitenden, lokalpatriotischen Husumerei, die sich durch seine ganze Produktion – auch selbst seine

Weitere Kostenlose Bücher